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Der verstärkte Einsatz von Impfungen in der Tierhaltung soll dazu beitragen, dass weniger Antibiotika eingesetzt werden müssen.

Foto: APA / Helmut Fohringer

Wien - Gesunde Hühnerschnitzel und einwandfreie Frühstückseier haben ihren Preis: Um Konsumenten vor gefährlichen Stoffen in der Nahrung zu schützen, wurden bereits viele Medikamente für Geflügel verboten. Und auch der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung soll weiter zurückgedrängt werden. Laut einer Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover und der Universität Leipzig bekommen deutsche Masthühner etwa an zehn ihrer durchschnittlich 39 Lebenstage Antibiotika, schreibt das Magazin Focus. Als Folge bilden sich resistente Keime, die auch beim Menschen dafür sorgen können, dass die Medikamente nicht mehr so gut anschlagen.

"Es ist gut, wenn es hohe gesetzliche Standards gibt, aber die Krankheiten verschwinden mit dem Verbot der Behandlungsmethoden nicht", sagt Michael Hess, Leiter Universitätsklinik für Geflügel und Fische der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Um den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren, soll in den Betrieben auf mehr Hygiene gesetzt werden - und auf Prävention. Hess forscht deshalb an Impfstoffen, die in der Geflügelhaltung eingesetzt werden können.

Der Veterinärmediziner entwickelt mit Kollegen in dem neu eingerichteten Christian-Doppler-Labor für innovative Geflügelimpfstoffe etwa ein Vakzin gegen die Schwarzkopfkrankheit bei Puten. Dagegen wirksame Therapeutika wurden 2003 in der EU verboten, weil ein Gesundheitsrisiko für den Menschen nicht ausgeschlossen werden konnte.

Der Erreger, der Parasit und Flagellat Histomonas meleagridis, findet bei der Krankheit über einen Wurm seinen idealen Übertragungsweg, erläutert Hess. Der Einzeller wird mit den Wurmeiern aufgenommen, infiziert den Blinddarm, überwindet die Blutschranke und zerstört die Leber der Pute. "Das Tier wird matt, lässt die Flügel hängen und bekommt schwefelgelben Durchfall."

Für den Menschen entstehe durch den Parasiten keine Gefahr, selbst wenn er das Fleisch eines erkrankten Tiers essen würde, sagt der Forscher. Wenn die Krankheit in einem Putenmastbetrieb ausbricht, kann es jedoch zu sehr hohen Todesraten kommen. Durch die Übertragungsart seien vor allem freilebende Tiere gefährdet. Hess untersucht gerade Proben eines französischen Betriebs, bei dem wegen der Krankheit 6000 Tiere gekeult werden mussten.

Der zweite große Schwerpunkt des CD-Labors, das von Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium, Nationalstiftung und einem beteiligten Unternehmen finanziert wird, liegt in der Entwicklung einer Vorbeugung gegen Adenovirus-Infektionen. "Die Besonderheit dabei ist, dass die Erreger vertikal, also von der Henne auf die Küken, übertragen werden", erklärt Hess. Der Schutz müsse also bereits bei den Elterntieren anfangen, damit die Küken nicht in den ersten Lebenswochen erkranken und an einer Entzündung der Leber sterben. Bisher gibt es weder einen Impfstoff noch ein zugelassenes Medikament gegen die Viruserkrankung. Hühnerbestände werden beim Ausbruch der Krankheit um bis zu 20 Prozent dezimiert.

Impfstoff im Trinkwasser

Um an einen Impfstoff zu gelangen, wird dem Adenovirus ein Teil seiner genetischen Information entnommen und mithilfe von Insektenviren vervielfältig. Zuchttiere bekommen die Impfstoffe durch einer Spritze. Bei Parasiten wie jenem, der die Schwarzkopfkrankheit hervorruft, funktioniere das allerdings nicht, betont Hess. Dafür müsse man einen Lebendimpfstoff gezielt in den Darm bringen. Wenn man ihn dem Trinkwasser beimengt, stehen die Forscher vor der Aufgabe, die Einzeller so zu "verpacken", dass sie lebendig beim Blinddarm ankommen.

Der Impfstoff gegen den Parasiten selbst entsteht aus einem Erreger, der dem Kot eines befallenen Tiers entnommen und kultiviert wird. Hess und Kollegen konnten zeigen, dass die Zellen durch oftmaliges sogenanntes Passagieren ihre Gefährlichkeit verlieren. Passagieren bedeutet, dass immer wieder neue Subkulturen aus den vorhergehenden Subkulturen angelegt werden. Nach 300 Durchgängen haben sich die Parasiten genetisch so weit verändert, dass sie keine Gefahr mehr darstellen und als Impfstoff eingesetzt werden können.

Zurzeit werden Legehennen gegen fünf bis zehn Erreger geimpft. Jedes Ei in österreichischen Supermärkten stammt von Hennen, die etwa gegen Salmonellen geimpft sind - obwohl die Tiere selbst daran nicht erkranken können. Auch an praktikablen Impfstoffen für die Vogelgrippe wird geforscht. Eingesetzt werden die Geflügelimpfungen bei jeder Bestandsgröße, bei Außen- und Innenhaltung. Auch in Biobetrieben. Hess: "In nachhaltiger Bioproduktion haben die Tiere nicht mehr oder weniger Infektionskrankheiten." (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 26.3.2014)