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Eine Gepardin mit Jungtieren in der ostafrikanischen Serengeti. In Südafrika ist die Überlebensquote der Kleinen höher.

Foto: REUTERS/Radu Sigheti

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Craighall/Wien - Tierfilmer haben die Szene schon mehrfach eingefangen: Eine Gepardenmutter geht in der ostafrikanischen Serengeti auf die Jagd, ihre Jungen bleiben zurück - und werden Opfer von Löwen. Bereits vor 20 Jahren behauptete die Forscherin Karen Laurenson, dass neugeborene Geparde nur geringe Überlebenschancen hätten. Keine fünf Prozent würden das Erwachsenenalter erreichen, hatte damals die britische Zoologin ermittelt.

Als Übeltäter gelten vor allem Löwen, aber auch Hyänen. Artenschützer richteten ihre Schutzkonzepte für die bedrohten Geparde neu aus: Man legte Schutzgebiete für die schnellen Raubkatzen in Regionen an, wo keine Löwen und Hyänen leben, vor allem außerhalb großer Schutzgebiete.

Nun stellen südafrikanische Forscher aber die Behauptung infrage, dass Löwen das Gros der Junggeparde auf dem Gewissen hätten. Die hohe Sterblichkeit der Jungtiere in der Serengeti sei ein Sonderfall, schreiben Michael Gus Mills und Margaret Mills im "Journal of Zoology". Für den Tod junger Geparde sei eine Vielzahl von Raubtierarten verantwortlich.

Das Forscherpaar, das für die Lewis Foundation im südafrikanischen Craighall arbeitet, beobachtete sechs Jahre lang Gepardenfamilien - nicht in Ostafrika, sondern in Südafrika und Botswana, genauer: im Kgalagadi-Transfrontier-Nationalpark in der Kalahari-Halbwüste. Die Zoologen statteten die Muttertiere mit Funkhalsbändern aus, zählten die Jungen im Bau und begleiteten ihr Aufwachsen bis zum Alter von 14 Monaten.

Das Ergebnis fiel sehr viel günstiger aus, als die Studie aus der Serengeti hätte erwarten lassen: Mehr als ein Drittel der 67 untersuchten Neugeborenen erreichte das Erwachsenenalter. Die meisten Todesfälle ereigneten sich in den ersten acht Wochen, wenn die Jungen im Bau waren und die Mutter allein jagte. In der Kalahari-Studie waren es 31 von 67 Jungtieren, die das Erwachsenenalter nicht erreichten; in der Serengeti-Studie waren es 89 von 125.

Für die Todesfälle in der Kalahari waren fast immer Raubtiere verantwortlich, nur selten Auszehrung oder Verletzungen. Oft ließ sich nicht genau klären, welcher Räuber zugeschlagen hatte. Es gibt ähnlich viele Tatverdächtige wie in Agatha Christies Krimis. Anhand von Spuren gelang es mehrfach, den Fressfeind zu ermitteln: Einmal hatte ein Leopard seine Spur am Bau hinterlassen, einmal deutete alles auf einen Honigdachs hin, dann wieder auf einen Schakal. Spuren von Löwen oder Hyänen hingegen fanden sich nie. Bei 22 Todesfällen ließ sich eine Täterschaft von Löwe oder Hyäne aber auch nicht ausschließen.

Wenig Gefahr durch Löwen

In der Kalahari wie auch in der Serengeti kommen auf einen Gepard etwa zwei Löwen. Diese seien die für Geparden nicht die bedrohlichsten Raubtiere, so die beiden Forscher. Für Junggeparde sei die Gefahr durch Löwen nicht größer als die durch Schakale. Selbst Sekretäre, also die afrikanischen Greifvögel, hätten schon kleine Geparde erbeutet.

Besonders in der Serengeti ist Gepardennachwuchs dem Tod geweiht, wenn die Mutter zu lange fortbleibt, weil sie den wandernden Thomson-Gazellen folgt. Im Extremfall findet sie den Bau nicht wieder, und die Jungen verenden - falls nicht vorher schon ein Räuber zugeschlagen hat. In der Kalahari dagegen ernähren sich Geparde vor allem vom standorttreuen Steinböckchen.

"Die extrem hohe Sterblichkeit junger Geparde in der Serengeti sollte nicht als typisch für die Art angesehen werden", schreibt das Ehepaar Mills. Vor allem die ungewöhnlich offene Graslandschaft der Serengeti biete jungen Geparden kaum Schutz. Das erkläre auch, warum in der Serengeti jeder zweite halbwüchsige Gepard im Alter zwischen vier und 14 Monaten umkommt - in der Kalahari aber nur jeder zwanzigste. Außerdem gab es zum Zeitpunkt der Studie von Laurenson vor 20 Jahren in Ostafrika viel mehr Löwen als heutzutage.

Auch andere Zahlen bestätigen die Ausnahmesituation in der Serengeti. Im südafrikanischen Phinda Resource Reserve zum Beispiel überleben ähnlich viele Geparde das erste Jahr wie in der Kalahari - trotz Löwen. Und im simbabwischen Matusadona-Nationalpark mit seiner sehr hohen Löwendichte gelang die Wiederansiedlung von Geparden dauerhaft. (Kai Althoetmar, DER STANDARD, 26.3.2014)