Maria Lassnigs "Camera Cannibale" und ...

Foto: Sammlung Essl

... die 2013 verkaufte Abstraktion von Gerhard Richter.

Foto: Standard Repro

Wien - In einer idealen Welt hätte Karlheinz Essl die Gespräche mit Vertretern der Regierung wohl in aller Ruhe und fürs Erste nicht öffentlich geführt. Gerüchte, wonach Gläubiger im Falle einer Baumax-Insolvenz Zugriff auf die gemeinsam mit seiner Ehefrau über Jahrzehnte aufgebaute Kollektion hätten, kursierten seit Monaten.

Nun ist die Katze aus dem Sack und wird über den Wert der 4900 Positionen umfassenden Kollektion, darunter mehrteilige Zyklen, diskutiert. Konkrete Zahlen will Essl auf Anfrage partout nicht nennen. Nur so viel, beim Buchwert von 86 Millionen Euro handle es sich um die Summe der über Jahrzehnte angefallenen Ankaufswerte. Den kolportierten Verkehrswert von bis zu 250 Millionen Euro will er nicht kommentieren.

Richter verkauft

Die stattliche Differenz ist leicht erklärt, wie folgendes Beispiel belegt: Im Dezember 1994 hatten Karlheinz und Agnes Essl bei Lempertz in Köln ein Gemälde von Gerhard Richter aus dem Jahr 1991 für netto (exklusive Aufgeld) 104.580 Euro ersteigert. Seither stieg der Marktwert für Arbeiten Richters rasant.

2013 summierten sich 237 Besitzerwechsel etwa auf 125,37 Millionen Euro, wobei der Kaufpreis 36 Mal über einer Million Dollar lag. Auch im Falle des Essl-Schützlings. Wie Standard-Recherchen ergaben, ließ er genanntes Richter-Werk im Juni vergangen Jahres bei Sotheby's in London versteigern und streifte eine stattliche Rendite ein, wiewohl der Zuschlag etwas unter der angesetzten Taxe bei 2,35 Millionen Euro erfolgt war.

Bis zum Verkauf war dieses Werk in den Büchern nur zum Ankaufspreis von rund 105.000 Euro gelistet. Damit liegt auf der Hand, dass es bei dem kommende Woche mit Vertretern mehrerer Ministerien anberaumten Gespräch um eine völlig andere Summe gehen wird, um das Doppelte zumindest.

Gesichert ist, dass die in der Sammlung Essl befindlichen internationalen Kunstwerke, neben weiteren Arbeiten von Gerhard Richter etwa auch solche von Anish Kapoor, Anselm Kiefer, Jörg Immendorff oder Markus Lüpertz, den Wert der Österreicher um ein Vielfaches übersteigen. Hermann Nitsch, Arnulf Rainer oder Maria Lassnig - um Kaliber zu nennen, von denen er solche Mengen besitzt, um Retrospektiven zu bespielen - genießen zwar internationale Anerkennung, die sich jedoch kaum auf dem globalen Kunstmarkt spiegelt. Soweit das über Zahlen belegbar ist, da weder Galeristen noch Kunsthändler Einblick gewähren und nur die Auktionsbranche hier Transparenz bietet.

Seit dem Versteigerungsrekord 2007 (280.000 Euro, Mit einem Tiger schlafen (1975), im Kinsky) gilt Maria Lassnig beispielsweise als teuerste österreichische Künstlerin. Zwei Drittel des jährlich verzeichneten Auktionsumsatzes (2013 rund 304.000 Euro für 16 Werke) entfallen allein auf Österreich. International werden ihre Arbeiten mangels entsprechender Nachfrage kaum versteigert, was den Marktwert erheblich reduziert. Ganz ähnlich die Situation bei Nitsch oder Rainer, besser jedenfalls bei dem international stärker gefragten Hundertwasser.

Auch wenn sich vieles aus dem Essl-Bestand flott und ähnlich lukrativ wie im Falle des Richters verkaufen ließe, eine Aufteilung kommt für Essl nicht in Frage, wie er im Gespräch mit dem Standard betont. Bausch und Bogen ist seine Bedingung. Denn, nur im internationalen Kontext, würde die Wertigkeit der österreichischen Kunst auch erkannt.

Basis für die bevorstehenden Verhandlungen ist ein Anfang Februar bei Otto-Hans Ressler in Auftrag gegebenes Gutachten zum Wert der Sammlung. Details will der ehemalige Geschäftsführer des Auktionshauses "im Kinsky" nicht nennen. Abgesehen von einer Stillschweigevereinbarung wäre das derzeit kontraproduktiv, lässt er durchblicken.

Ressler hatte im Kinsky auch jahrelang die Sparte zeitgenössische Kunst betreut. Gerichtlich beeideter Sachverständiger ist er allerdings nur für Möbel des 18. und 19. Jahrhunderts, nicht aber für zeitgenössische Kunst. Das Gutachten eines solchen soll nun seitens der betroffenen Banken beauftragt worden sein. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD, 26.3.2014)