Beauftragte der Stadt: Jutta Kleedorfer.

Foto: Standard

Standard: Was ist der Mehrwert von Zwischennutzungsprojekten?

Kleedorfer: Menschen mit viel Kreativität beeinflussen die Umgebung stark. Sie schaffen es oft, Kontakt mit den Bewohnern aufzunehmen und mit ihren Aktionen Stadtteile zu beleben.

Standard: Grätzel sollen damit aufgewertet werden?

Kleedorfer: Kritiker sagen, das ist Gentrifizierung. Aber man darf es nicht nur als Gefahr sehen. Veränderung findet statt, die Stadt entwickelt sich, und darin liegen auch tolle Chancen.

Standard: Welches Potenzial hat Wien?

Kleedorfer: In den vergangenen Jahren hat sich einiges getan. Ich habe meinen Auftrag seit 1998. Anfangs ging es in erster Linie um soziale Projekte, Baulückenbespielung und Schulhoföffnungen. Es hieß oft: In Wien tut man das nicht. Aber die Häuser, die nun zur temporären Nutzung übergeben werden, werden von den Immobilieneigentümern offiziell zur Verfügung gestellt. Zwischennutzung ist nicht in einem Atemzug mit Besetzung zu nennen.

Standard: Wie steht Wien im Vergleich zu anderen Städten da?

Kleedorfer: In Holland oder Deutschland ist Zwischennutzung natürlich verbreiteter. Aber auch in der Schweiz. Dort argumentiert man ökonomisch, die Schweizer sagen: Blödsinn, das alles leerstehen zu lassen. Hier gibt es noch einige Skeptiker, aber nur reines, pures Wohnen tut den Städten auch nicht gut.

Standard: Wie positioniert sich die Stadt Wien?

Kleedorfer: Ich bin in meiner Funktion natürlich Teil der Stadt, aber ich bin nicht die Stadt. Für meinen Geschmack - das sage ich auch als Privatperson, die immer noch Ausländerin ist - finde ich schon, dass Wien sehr verhalten ist. Wir könnten mit den stadteigenen Liegenschaften eine gewisse Vorbildwirkung haben. Es wird viel koordiniert, aber Vorreiter sind wir nicht. Das bedauere ich.

Standard: Was wurde aus dem Plan der rot-grünen Regierung, eine Zwischennutzungsagentur zu gründen?

Kleedorfer: Ich nehme an, wir werden davon in Kürze hören. 2010 stand sie im Regierungsprogramm. Am Anfang standen tausenden Anfragen fast keine Angebote gegenüber. Jetzt ist das anders, und viele sagen, es wäre nützlich, wenn es eine Stelle geben würde, die das koordiniert. In Kürze soll eine Studie von Departure vorgestellt werden, auf die ich sehr baue. Das wird die Argumentation nochmal sehr verstärken.

Standard: Welche rechtlichen Barrieren gehören beseitigt?

Kleedorfer: Es gibt an sich den total passenden Vertrag, den sogenannte Prekariumsvertrag: Man zahlt keine Miete, sondern gegen Betriebskosten gibt es Überlassungen. In Wien hat er jedoch keinen guten Ruf. Wir müssen neues Vertrauen erzeugen, und die Bauordnung gehört erweitert. Für eine temporäre Nutzung sind die darin enthaltenden Regeln überbordend. Wenn ich etwas nur ein Jahr nutzen kann, werde ich natürlich Sicherheitsüberlegungen anstellen, aber das Gebäude nicht auf den Tipptoppzustand hintrimmen. Da fehlt uns ein Paragraf, der besagt, das ist ein Fall für die gewünschte Zwischennutzung mit gewissen Abstrichen bei den Anforderungen. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 26.3.2014)