Jetzt ist aus dem Lokal in der Kunsthalle Karlsplatz glatt etwas Tolles geworden. Dabei schien es unwahrscheinlich, dass die gastronomisch verrufene Gegend um Naschmarkt und Karlsplatz so bald wieder etwas hergibt. Wobei: Zum Abhängen war die Terrasse vor der hyperzentralen Kunstschachtel sehr okay. Die vergangenen Jahre wurde sie durch Bernd Schlachers Motto-Imperium halt nur nebenbei bespielt (das dafür mit Nachdruck).
Jetzt aber scheint eine Truppe um Betonküche-Miterfinder Javier Mancilla mit Investor Andreas Wiesmüller als Initiator das Potenzial erkannt zu haben – und mit richtig scharfen Ideen aufzuladen. Innen sitzt man auf langgestreckten, grünen Lederbänken und Thonetstühlen, auf der mächtigen Terrasse haben zierlich gedrungene Holzsessel jene Sofas abgelöst, auf denen man sich zuletzt schon schmerzhaft in die Nullerjahre zurückgestoßen vorkam.
Essen denken
Das Wichtigste ist aber was in der Küche passiert – nicht zuletzt, weil es auch für die Gestaltung des Lokals mitentscheidend war. An der Breitseite hat die Vorratskammer von Küchenchef Peter Fallnbügl ihren Platz gefunden. Die Mannschaft ist nämlich nicht etwa frisch zusammeng'fangt, sondern bereitet sich schon seit Herbst des Vorjahrs vor. Batterien selbstangesetzter Säfte, Sirupe und Konserven sind die Folge, Kompott und Salzzitronen, aber auch Sauergemüse, das eingerext in die Regale geschlichtet ist. Vieles stammt aus Wildsammlung (Schlehen-Gin!), alles wirkt auf wunderbar unaufgeregte Art beseelt – tut der Glaskiste extrem gut, das alles.
Koch Fallnbügl, der zuletzt den Garten des Volksgarten-Pavillons in köstliche Smoke- und Grillschwaden zu hüllen wusste, ist nämlich ein ganz ein Guter: Nicht nur, dass er als einer von wenigen Köchen in der Lage ist, Essen auch zu denken, hat ihn die Pavillon-Schule für den Umgang mit Gästemassen geeicht. Dazu kommt die Freundschaft sowie Arbeitserfahrung mit dem hochsensiblen Rainer Stranzinger vom Tanglberg in Vorchdorf – viel besser kann man es kaum treffen.
Glühheißer Lehmofen
Dementsprechend klug ist die Karte gestaltet: klein, fix, unverwechselbar. In der Küche gibt es einen Smoker sowie einen glühheißen Tandoori-Lehmofen. Aus Letzterem kommt knusprigstes Fladenbrot, vor allem aber Hendl vom Spieß von einer saftig angekokelten Köstlichkeit, wie man sie dem geschundenen Federvieh nicht mehr zugetraut hätte – dazu fantastischer, lauwarmer Linsensalat mit eingelegten Wurzeln, bitte, danke.
Oder Lammzunge aus dem Rauch, hauchdünn geschnitten und mit eingelegtem Sauerobst sowie geschmortem Bittersalat und Wildkräutern kombiniert, herrlich. Saibling wird im Rauch unglaublich saftig hergezogen und (siehe Bild) im Ganzen auf Backpapier serviert – es gibt wenig Fisch in der Stadt, dessen meditativer Verzehr auch nur annährend so viel Freude macht. Burger mit sehr saftigem, knusprigem Dry-Age-Biorind von Höllerschmid, mit altem Cheddar, Salzgurken und fantastisch scharfem, selbstgemachtem (!) Senf setzt sich vom Start weg an die Spitze der örtlichen Konkurrenz.
Ist aber noch lang nicht alles: Der Betrieb startet täglich ab neun, zum Frühstück darf man sich auf Eggs Florentine, Frenchtoast mit Speck und Äpfeln, sogar auf "Duck & Waffles", ein wahnwitzig geiles Gericht mit confierter Entenkeule, Waffel und Spiegelei freuen, das ursprünglich im gleichnamigen Restaurant im 40. Stock des Londoner Heron Tower ersonnen wurde. Sieht ganz so aus, als ob Wien schön langsam aus sich selbst hinauswächst! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 28.3.2014)