Am 13. Juni kommt Ken Doctor, US-Medienberater und Autor des Blogs "Newsonomics", nach Wien, um gemeinsam mit fjum den "Media Innovation Day" zu kuratieren. fjum-Geschäftsführerin Daniela Kraus bringt im Vorfeld der Veranstaltung in ihrem Journo-Blog auf derStandard.at/Etat Gespräche mit Referenten. Mit Doctor sprach sie über den von ihnen diagnostizierten Niedergang traditioneller Printmedien - und warum Journalismus dennoch überleben werde.
Kraus: In fast allen europäischen Ländern, auch in Österreich, kämpfen Medienunternehmen mit stark sinkenden Umsätzen und bauen massiv Personal ab. In den USA setzte dieses Phänomen bereits vor mehreren Jahren ein. War zu erwarten, dass die Krise von Amerika nach Europa überschwappt?
Doctor: In Amerika wurden die Newsrooms seit 2006 um durchschnittlich 30 Prozent verkleinert, mit anderen Worten: Mehr als 17.000 Journalisten verloren ihren Job. Entscheidend war, dass die Lokalmedien so massiv betroffen waren. Wir haben in den USA knapp 1.450 regional und gerade einmal drei national ausgerichtete Zeitungen. Die lokale Wirtschaft und die "Newsonomics", also die Geschäftsmodelle von Medien, haben sich radikal gewandelt: Das Publikum tendiert immer mehr dazu, nationale oder global ausgerichtete Webseiten im Internet zu lesen. Gleichzeitig schalten die Unternehmen immer seltener ihre Werbeanzeigen in lokalen Printzeitungen und konzentrieren sich stattdessen auf digitale Werbung in Onlinezeitungen. Dieser Wandel trifft auch die europäischen Medienhäuser massiv und bedroht in der Folge die Jobs von Journalisten - wenn auch noch nicht im selben Ausmaß wie in den US-Medien.
Kraus: Wie hat dieser Wandel den Journalismus in den USA verändert?
Doctor: Massiv. 30 Prozent der amerikanischen Journalisten haben ihren Job verloren. Damit sind gleichzeitig zehntausende Jahre an journalistischer Erfahrung sowie Informationen, die von großem öffentlichem Interesse sind, verlorengegangen. Gut verdienende, sehr erfahrene Journalisten wurden durch jüngere, weitaus billigere Leute ersetzt. Um nur eine Folge dieser Entwicklung zu erwähnen: Die erfahrenen Journalisten haben ihre jüngeren Kollegen stets mitausgebildet - dieser sehr wichtige Faktor für die Qualität eines Mediums fällt weg. Die Leser bekommen zunehmend nur noch stückchenweise Informationen und kurze Texte geliefert, weil sich einige Medienhäuser dadurch mehr Klicks erhoffen, was wiederum die Werbekunden anlocken soll. Für die Öffentlichkeit relevante Informationen sind sekundär geworden. Doch gerade diese stärken Zivilgesellschaft und demokratische Entscheidungsprozesse. Durch die Entwicklung der vergangenen Jahre wurden demokratische Prozesse massiv gefährdet.
Kraus: Sie kennen die österreichische Medienlandschaft sehr gut. Welche Entwicklungen erwarten Sie hier?
Doctor: Österreich gehört zu jenen Ländern, in denen diese Entwicklungen langsamer passieren. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, denn Österreich wird es genauso hart treffen. Wie wir schon bei der Axel-Springer-/Funke-Konsolidierung beobachten konnten, geht der Trend in Richtung Nationalisierung und Zentralisierung. Medienhäuser konzentrieren sich wieder auf ihre Kernprodukte im eigenen Land. Dieser Trend könnte durch die deutschen Beteiligungen an österreichischen Medienverlagen massive Auswirkungen haben. Hinzu kommt, dass wir uns schon wieder in einer Revolution befinden: Statt online wird vermehrt auf mobilen Geräten geworben - auch hier dominieren Facebook und Google den Anzeigenmarkt. Diese neue Revolution, die eine mobile Revolution ist, wird noch zu wenig verstanden.
Kraus: Haben traditionelle Printmedien in Zukunft überhaupt noch eine Chance zu überleben?
Doctor:Ja, das ist die wirklich gute Nachricht. 2014 sind einige Geschäftsmodelle abseits des traditionellen Anzeigenmodells entstanden, die wirklich funktionieren. Diese neuen Modelle sind bei weitem nicht ausgereift, sie bringen den Medienhäusern bislang nur Umsätze im einstelligen Millionenbereich, aber wir können beobachten, wie sie sich weiterentwickeln und langfristig Erfolg versprechen. Wir haben jetzt eine Reihe von unterschiedlichen Strategien, die zukunftsversprechend sind. Die größten Feinde dieses Wandels sind eine starre Zeitungskultur und Medien, die sich von jahrzehntealten Traditionen nicht lösen möchten. (Daniela Kraus, derStandard.at, 26.3.2014)