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Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) ist und bleibt umstritten. US-Präsident Barack Obama höchstpersönlich wirbt bei seinem Europabesuch dafür. Während von Befürwortern eines solchen Abkommens weiterhin mit den Vorteilen für die Volkswirtschaften geworben wird, stoßen sich Kritiker vor allem an den so genannten Investitionsschutzklauseln für Unternehmen. EU-Handelskommissar Karel De Gucht hat in dieser Sache jüngst eine öffentliche Anhörung eingeleitet. Die deutsche und die französische Regierung beharren auch nicht länger darauf, dass der Themenkomplex mit den USA verhandelt wird. Die Hoffnung auf Kritikerseite steigt, dass die EU-Kommission diesen strittigen Punkt fallen lässt.

Andere halten den Kampf für TTIP so gut wie verloren - zumindest im avisierten Zeitrahmen, der eine mögliche Einigung noch vor dem Ausscheiden der amtierenden EU-Kommission in diesem Herbst vorsah. Grund dafür sind politische Bedenken auf beiden Seiten des Atlantiks. Aber auch der wachsende Widerstand in der Zivilgesellschaft dürfte die Begeisterung von Wirtschaftsvertretern für das ehrgeizige Projekt gemindert haben.

Einigung 2015 möglich

Ad acta gelegt ist das Projekt aber noch nicht: Karel De Gucht hält eine Einigung im nächsten Jahr für möglich. Daniel Mullaney, US-Chefverhandler hat dieser Tage in Wien die Vorteile des Abkommens für die österreichische Volkswirtschaft beschworen. Branchen wie die Weinbauern würden ebenso von einem Abbau "unnötiger Unterschiede in den Regelwerken" profitieren wie etwa Autozulieferer oder allgemein Klein- und mittlere Unternehmen (KMU), warb Mullaney.

So gebe es etwa bei Wein die von Mullaney beschworenen "unnötigen Unterschiede", die man nivellieren könnte, weil sowohl die USA als auch Europa bei ihren vorgeschrieben Standards für die Weinproduktion ähnliche, aber in Details abweichende Vorschriften haben. Diese hohen Anforderungen ließen sich ohne Probleme gegenseitig anerkennen, betonte Mullaney. Bei einem Gespräch mit dem STANDARD im Jänner hat auch der EU-Chefverhandler Ignacio Garcia Bercero betont, dass es etwa bei der Zulassung von pharmazeutischen Produkten relativ einfach wäre, Doppelgleisigkeiten bei der Zulassung zu streichen.

Kritiker befürchten vor allem, dass man sich bei den Verhandlungen hinter verschlossenen Türen über den Atlantik hinweg auf Kosten der Konsumenten einigt. Der Zusicherung der EU-Kommission, das werde auf keinen Fall passieren, mag so mancher ganz und gar nicht glauben. Der deutsche Ökonom Christoph Scherrer begründete seine Skepsis jüngst so: "Ich weiß nicht, auf welcher Grundlage die EU das behaupten kann. Nehmen wir ein Beispiel: Die amerikanischen Chemie- und Pharmafirmen möchten gerne, dass die Testergebnisse bei der Arzneimittelherstellung lange nicht freigegeben werden, sodass die Generikahersteller keine Chancen bekommen. Die EU wiederum möchte, dass das Herkunftsprinzip stärker honoriert wird. Wenn also Champagner draufsteht, darf der Inhalt nur aus der Champagne kommen und nicht aus Spanien und nicht aus Kalifornien. Da muss man sich fragen, wie kommen diese zwei Interessen auf einen grünen Zweig? Die Logik der Verhandlungen läuft darauf hinaus, dass man eher Schutzregeln für Verbraucher lockert."

Mitterlehner mahnt zu Gelassenheit

Österreichs Wirtschafts-Minister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) plädiert in der Debatte für Gelassenheit. "Für mich überwiegt da das Positive" - gerade wenn ein Abkommen "gut gemacht" sei. Er teile die Befürchtungen (etwa nach einer Verschlechterung von Verbraucherschutzstandards, Anm.) nicht, sagte er jüngst. Die Ergebnisse würden am Schluss transparent dargestellt, eine Vorlage von Zwischenergebnissen hält er für "nicht zweckmäßig", weil dann "alles zerredet" würde.

Parteikollege und Umwelt- und Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter wünschte sich indes jüngst mehr Transparenz. Rupprechter verlangte, dass der EU-Agrarrat regelmäßig zum Stand der Verhandlungen informiert werde. Er selbst sei gegen Protektionismus und nicht gegen den Freihandel, betonte Rupprechter. Es müssten aber unterschiedliche Standards in der Produktion berücksichtigt werden. Nötig sei eine Liste sensibler Produkte.

Auch die Grünen beklagen mangelnde Transparenz. In der "Aktuellen Stunde" zum Thema TTIP betont Klubobfrau Eva Glawischnig, dass das Abkommen 800 Millionen Menschen in Europa und den USA betreffe. "All diesen Menschen wird eine wesentliche Freiheit vorenthalten, nämlich die Freiheit zu wissen, was überhaupt verhandelt wird." Dem Bundeskanzler warf sie "Geheimniskrämerei" vor. Mehr Klarheit erwartet sie sich aus Dokumentenanfragen an die Regierung.

Grünen schwant Böses

Glawischnig schwant durch das Abkommen Böses: "Das Abkommen droht die europäischen Umwelt- und Sozialstandards auszuhöhlen. Gentechnisch veränderte Lebensmittel, Hormonfleisch oder Chlorhühner könnten den europäischen Markt überschwemmen. Der 'Feinkostladen Österreich' wäre in Gefahr. Unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft müsste mit der völlig industrialisierten Landwirtschaft der USA konkurrieren. Zudem drohen eine Absenkung von Schutzstandards im Arbeitsrecht, beim Datenschutz oder die Zulassung von Fracking", so die Grünen-Bundessprecherin in einer gemeinsamen Stellungnahme mit EU-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek auf Anfrage.

Bundeskanzler Werner Faymann versucht indes zu beruhigen. Tatsächlich habe Europa und speziell Österreich in sozialen und Umweltfragen deutlich höhere Standards als die Vereinigten Staaten, und diese gelte es auch zu schützen. Das Thema Investitionsschutz dürfe keinesfalls eine versteckte Hintertür für die Privatisierung von Wasser und die Verschlechterung Umweltschutz oder sozialen Bedingungen sein. "Mehr Markt und mehr Chancen für österreichische Unternehmen ist ein Ziel, das nicht unvereinbar sein darf zu unseren sozialen und umweltpolitischen Vorgaben".

"Kaninchen vor der Schlange"

Kritik an TTIP kam auch von den anderen Oppositionsfraktionen. Harald Vilimsky (FPÖ) verlangte von Faymann einmal mehr ein Veto in den Verhandlungen und warf ihm vor, derzeit "wie das Kaninchen vor der Schlange" zu agieren. Aus dem Büro von Parteichef HC Strache heißt es gegenüber der derStandard.at: "Die FPÖ ist seit Monaten bemüht, die Öffentlichkeit über diese drohende Katastrophe zu informieren. (...) Wir werden die Verhandlungen, soweit möglich, weiterhin beobachten und um Information der Öffentlichkeit bemüht sein."

Ulla Weigerstorfer (Team Stronach) zeigte sich besorgt und regte eine Enquete zum Thema an. "Wenn ich Monsanto höre, dann läuten bei mir alle Alarmglocken", meinte sie zu den Interessen von US-Agrarunternehmen. Die NEOS sehen laut ihrer Vertreterin Angelika Mlinar die Vorzüge des Freihandels: "Wir sind der Ansicht, Globalisierung ist nicht zu fürchten, sondern zu formen", wollen aber ein Abkommen "wie es sich derzeit darstellt, weder auf nationaler, noch auf europäischer Ebene unterstützen." Weiter heißt es: "Natürlich haben auch wir die diversen kritischen Berichterstattungen gelesen, die teils sehr fundiert richtige Kritikpunkte finden, teils aber auch sehr polemisch sind und nicht den uns bekannten Fakten entsprechen – Stichwort: Chlorhühner, Hormonfleisch." (rebu, ch, derStandard.at, 27.3.2014)