Bohren & Der Club Of Gore. Hier im Keller, beim Lachen, entstehen die Titel ihrer Instrumentalstücke.

Foto: PIAS

Wien - Mit den Produktbeschreibungen eines durchschnittlichen Esoterikladens ließe sich ihrer Musik problemlos zu Leibe rücken. Von frei fließend über atmosphärisch-ätherisch, beruhigend und meditativ bis zum auratischen Blabli-Blabla - das Werk von Bohren & Der Club Of Gore scheute sich nicht, derlei Zuschreibungen mit müden Lidern zu registrieren. Soll sein. Wer gerade gen Unendlichkeit driftet, dem ist alles recht und wurscht.

Diese im marktschreierischen Popbusiness doch eher selten zu findende Position wird seit gut zwanzig Jahren gefestigt. Nach Wurzeln im Metal und Hardcore besann sich die in Mülheim an der Ruhr gegründete Band einer weniger schweißtreibenden Kunst, die der seltsame Club über die Jahre und acht lange Alben verfestigte. Heuer erschien Piano Nights, kommenden Samstag gastiert die Band live in Wien.

Dass Bohren & Der Club Of Gore auf Tour gehen, ist so etwas wie der letzte Rest subversiver Renitenz, der dem Keim auch dieser Kunst einst innewohnte und diesen Club zusammenführte: Rock 'n' Roll. Längst schon erfindet die Kritik Begriffe wie "Horror Jazz" und sagt damit mehr über die eigene Verzweiflung als die Bohren-Musik aus.

Denn anders als gerne unterstellt gibt es hier keinen doppelten Boden. Es ist, was es ist. Das ist nicht viel. Aber es ist genug. Und es ist schön, wie es ist. Das reicht der Kunst.

Der einzige Horror, der dem Club Of Gore anzudichten wäre, entsteht in den Köpfen des Publikums. Denn sieht man von ein paar beim Lachen im Keller zusammengedachten Liedtiteln ab - Fahr zur Hölle, Ganz leise kommt die Nacht ... -, nähren Thorsten Benning, Morten Gass, Robin Rodenberg und Christoph Clöser nicht einmal diesen. Sind es doch nicht mehr als willkürliche Etiketten ohne tiefere Bedeutung für die Musik.

Diese genügt sich selbst. Bei Ruhepuls wird ins Saxofon geatmet, wie auf dem Weg in die Vollnarkose werden die Tasten eines E-Pianos gedrückt, dazu wischt ein Besen über das Fell der Trommeln. Aus dem Bass tropfen einzelne Töne, zwischen denen sich wahrscheinlich eine Zigarette ausgeht. Das ergibt Klangskulpturen von cineastischer Qualität. An David Lynch kommt auch dieser Text nicht vorbei, am Film noir und seinen tragischen Helden auch nicht.

Aber keine dieser assoziativ auftauchenden Verwandtschaften ist verpflichtend. Sie fungieren bloß wie ein Blindenstock auf dem Weg in diese gleichzeitig so einladende wie wegweisende Musik.

Trotz ihrer hohen Exzentrik sind Bohren & Der Club Of Gore nicht allein mit ihrer Entschleunigungsmusik. Auf dem Terrain des Country bremste in den 1990ern die US-Band Souled American dieses Genre so weit herunter, dass sie über die Jahre Mitglieder aufgab, deren Dienste sie auf dem Weg in die Stille nicht mehr benötigte. Und statt weiter auf der Bühne zu stehen, setzte sich das Trio lieber gleich nieder und zerdehnte in Zeitlupentempo die letzten Songreste, bevor sich die Band in letzter Konsequenz selbst auflöste und verschwand.

Claydermans Bruder

Die aus dem metallischen Dröhnen gewachsene Musik der Band Earth ist dem Club Of Gore ebenso nahe wie Ambientstudien diverser Nachtwandler am Laptop. Ja, und Eric Satie lässt gerade auf Piano Nights auch lieb grüßen.

Dessen Cover ziert übrigens jemand, der aussieht wie der Bruder von Richard Clayderman. Der, der dann doch lieber die Mopedwerkstatt des Vaters übernommen hat, als sich im weißen Anzug im Schlagerzirkus mit der Ballade pour Adeline zu verbrennen.

Das wäre wirklich jener Horror gewesen, mit dem Bohren & Der Club Of Gore bestenfalls kokettiert. Noch einmal Schwein gehabt. (Karl Fluch, DER STANDARD, 27.3.2014)