Die Krim-Krise hat zu seltsamen Allianzen geführt. Es zeigt sich, dass in EU-Europa die Putinversteher und die Putingegner nicht unbedingt dort zu finden sind, wo man sie vermuten könnte. Im Gegenteil. Während die liberale Mitte ziemlich einhellig den russischen Einmarsch auf der Krim verurteilt, zeigen sich die extreme Rechte und die extreme Linke, normalerweise Todfeinde, eher verständnisvoll.

Sahra Wagenknecht, die Vizevorsitzende der deutschen Partei Die Linke, hat mit ihrer Verteidigungsrede für das russische Vorgehen für Aufregung gesorgt. Sie geißelte die Europäische Union für deren Unterstützung der ukrainischen Regierung in Kiew, in Wagenknechts Augen eine Putschregierung von Faschisten und Antisemiten. Und auf der anderen Seite des politischen Spektrums ließen sich die Europaabgeordneten der FPÖ, Johann Gudenus und Johannes Hübner, als selbsternannte Wahlbeoachter auf die Krim einladen. Sie hätten dort nichts Irreguläres gesehen, berichteten sie nachher.

Woher kommen die Sympathien und Antipathien der Außenstehenden gegenüber den Ereignissen an der fernen russischen Südgrenze? Auf der Linken, besonders bei den einstigen DDR-Bürgern, sind es wohl Reste von Loyalität zur Sowjetunion, die eine Rolle spielen, vor allem aber Misstrauen und Ablehnung gegenüber den USA, der Nato und den führenden Kräften der Europäischen Union.

Dass man dort Faschisten unterstützt, passt ins Weltbild der Linkspartei. Dass die Vertreter der ukrainischen Juden keinen Antisemitismus entdecken, tut dem keinen Abbruch.

Auf der Rechten wiederum scheint den Leuten einerseits das energische Vorgehen des russischen Präsidenten zu imponieren und andererseits dessen Auffassung, dass Volkstum vor Völkerrecht geht. Ein starker Führer, ein Zar, der einmarschiert, ohne lange zu fackeln und ohne Rücksicht auf die Brüsseler Diplomaten und Bürokraten! Gut so! Und dass es Aufgabe einer nationalen Regierung ist, die Volksgenossen auch jenseits der Grenzen zu schützen und, wenn möglich, heimzuholen ins "Reich", ist für die FPÖ-Anhänger offenbar auch gut nachzuvollziehen.

Aber auch jenseits der Extreme sind die Meinungen der Europäer und auch der Österreicher keineswegs einheitlich. Wenn die Krimbewohner unbedingt zu Russland wollen, warum sollen sie das nicht dürfen?, fragen die einen. Bloß weil Nikita Chruschtschow vor gar nicht langer Zeit die Halbinsel der Ukraine geschenkt hat?

Grenzen sind Grenzen, sagen die anderen. Wenn man einmal anfängt, sie zu verrücken, brechen die Dämme. Auch die Bewohner des Sudetenlandes waren einst für den Anschluss an Nazideutschland, und die internationale Gemeinschaft ließ Hitler gewähren. Als Nächstes kam prompt die keineswegs anschlusswillige Rest-Tschechoslowakei an die Reihe.

Alle Deutschen nach Deutschland? Alle Russen nach Russland? Das positive Gegenbeispiel zur heimgeholten Krim ist wohl Südtirol, dessen Bewohner als Minderheit mit vollen Rechten in Italien gut leben. Gut, dass in Österreich noch niemand auf die Idee gekommen ist, in Bozen einzumarschieren. (Barbara Coudenhove-Kalergi, DER STANDARD, 27.3.2014)