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Soldaten hissen die russische Flagge auf einem vormals ukrainischen U-Boot. Der Abzug von der Krim bringt die Regierung in Kiew in Bedrängnis. 

Foto: APA/EPA/Ilnitzki

Kiew/Moskau - "Platzkart" heißen im Russischen die wenig bequemen Dritte-Klasse-Großraumwagons der Eisenbahn. Rund 1500 ukrainische Soldaten treten nun auf diesem Weg den Rückzug von der Krim ins ukrainische Kernland an, nachdem sie zuvor entwaffnet wurden. Zugleich informierte der Leiter des russischen Generalstabs, Waleri Gerassimow, darüber, dass "Stand 26. März über allen 193 auf der Krim stationierten Militäreinheiten und -einrichtungen die russische Flagge gehisst" worden sei.

Aus militärischer Sicht gleicht der Abzug der Ukrainer von der Krim einer schmählichen Kapitulation, und der Kreml gibt sich auch keine Mühe, Kiew die bittere Pille zu versüßen. Während der Vizechef des ukrainischen Streitkräfte-Kommandozentrums, Alexander Rosmasin, erklärt, es werde über die Rückgabe der Waffen noch verhandelt, machte Kremlsprecher Dmitri Peskow deutlich, wer das letzte Wort in der Angelegenheit hat: "Das liegt in der Kompetenz des russischen Verteidigungsministeriums."

Der Plan, mithilfe der Krimkrise die politische Krise in Kiew zu verschärfen, dürfte aufgegangen sein: Die Kritik am Kurs der Übergangsregierung mehrt sich. Verteidigungsminister Igor Tenjuch musste bereits seinen Posten für Michail Kowal räumen. Dem Ex-Admiral und Mitglied der nationalistischen Swoboda-Partei wurde Führungsschwäche vorgeworfen.

Einen heftigen Clinch lieferten sich auch Übergangspräsident Alexander Turtschinow und Witali Klitschko, dessen Partei Udar formal zwar nicht der Regierung angehört, diese aber im Parlament stützt. Klitschkos wiederholte Forderung nach der Einberufung des ukrainischen Sicherheitsrates zum Abzug von der Krim konterte Turtschinow mit der Bemerkung, eine solche Sitzung habe bereits stattgefunden, und dem sarkastischen Hinweis, Klitschko müsse sich angewöhnen, "Informationen beim ersten Mal aufzunehmen". Nach dieser verbalen Ohrfeige forderte Klitschko den Rücktritt Turtschinows, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Wahlen und Konflikte

Der Druck auf das Kabinett ist nach dem faktischen Verlust der Krim riesig. "Keine ukrainische Regierung kann es sich erlauben, die Abtretung anzuerkennen, denn das bedeutet ihr politisches Ende", sagt der russische Politologe Fjodor Lukjanow. Andererseits sind die realen Möglichkeiten Kiews begrenzt.

Das fördert die Fliehkräfte innerhalb des Regierungslagers. Die Verantwortung für das Debakel will niemand übernehmen, schließlich sind Ende Mai Präsidentenwahlen. Die derzeitigen Favoriten sind der Maidan-und Schokolade-Oligarch Petro Poroschenko, die zuletzt von Skandalen gebeutelte Julia Timoschenko und Witali Klitschko. Bei der in der Ostukraine verankerten Partei der Regionen rechnet sich Milliardär Sergej Tigipko Chancen aus.

Auch die Rechten werfen ihren Hut in den Ring: Neben dem Parteichef von Swoboda, Oleg Tjagnibok, will auch der Chef des Rechten Sektors, Dmitri Jarosch, kandidieren. Der Widerstand gegen den Einfluss der Rechten wächst aber in der Regierung. Die Erschießung des Extremisten Saschko Bily bei dessen Festnahme zeugt von einer härteren Gangart gegen die einstigen Verbündeten im Kampf gegen Wiktor Janukowitsch.(André Ballin, DER STANDARD, 27.3.2014)