Wien - Die heimische Medienbranche kommt um die Interaktion mit ihren Lesern nicht umhin. 35 von 36 Medienunternehmen verwenden Tools und Formate für die aktive Beteiligung ihrer Nutzer, ergab eine am Mittwoch  präsentierte Umfrage des Projekts MedienFokus. Wirtschaftliche Motive wie eine Steigerung des Einzel- oder Aboverkaufs spielen bei User Engagement aber kaum eine Rolle.

"Der Traffic ist zwar ein wesentliche Komponente, wird aber nicht in den wirtschaftlichen Zusammenhang gesetzt", erklärte Klaus Weinmaier von The Engagement Lab, das gemeinsam mit dem Forum Journalismus und Medien Wien (fjum) die Untersuchung durchführte. "Die Bedeutung wird eher in den Bereichen Feedback, Kommentare oder Anregungen verortet." Auch die Markenbindung und die Imagesteigerung würden eine Rolle spielen.

Weniger ein Ziel sei hingegen das Einbinden von Inhalten, Recherchetipps von Usern oder die Durchführung von Beta-Tests. Insgesamt wurden zur anonymisierten Untersuchung 103 Medien aufgerufen, wobei 36 geantwortet und 28 Medienmarken den Fragebogen vollständig ausgefüllt haben.

"Magnetische Marke"

Stefan Häckel, Herausgeber von "Vice Alps", bezeichnete sein Magazin als "magnetische Marke". Oberste Priorität sei nicht die Erweiterung der Zielgruppe, sondern die User noch stärker zu binden. Politische Themen würden in der "lässigen und hippen" Leserschaft in letzter Zeit in die Höhe schießen und für "enormes Rauschen" sorgen. Als Beispiel nennt Häckel die Berichterstattung über den WKR-Ball und ein Interview mit dem Politiker Ewald Stadler.

"Überlebensstrategie"

Die Medienbranche hat eine sehr gute Startposition, "die Leute mögen uns", sagte Ingrid Brodnig, "Falter"-Medienredakteurin und Buchautorin ("Der unsichtbare Mensch"). "User Engagement ist gerade im Zeitalter des Informationsüberangebots eine Möglichkeit, sich als Marke stärker zu präsentieren."

Diese "Überlebensstrategie" werde allerdings im deutschsprachigen Raum noch zu wenig genutzt. In anderen Branchen würde man sich an den Kopf greifen. "User Engagement ist der entscheidende Kniff, mit dem ich die Leute heranhole." Noch sei die Beziehung von Usern und Journalisten "eine Hassliebe mit Betonung auf Hass".

Mut und Experimente

Bei der Interaktion mit Usern braucht es den Mut zu experimentieren, erklärte Gerlinde Hinterleitner, Online-Verlagsleiterin des STANDARD. "Das Mitmachen sollte in allen Facetten entwickelt werden." Anders als Häckel hält Hinterleitner nichts davon, User Engagement über die Einbindung von Social Commenting auf Plattformen wie Facebook auszulagern. "Wir wollen schon, dass die Debatte bei uns stattfindet."

Zehn Prozent aktive User gibt es auf derStandard.at, ein Zehntel beteiligt sich sehr intensiv in den Foren. In zwei Monaten will Hinterleitner Neuerungen präsentieren, wie Sortiermöglichkeiten, um die besten Postings hervorzuheben. "Es ist eines unserer strategischen Ziele, gute Poster herauszuheben und ihnen Aufmerksamkeit zu gönnen."

Foren mit Mehrwert

Wichtig sei es, gute Stimmen sichtbar zu machen, Empathie zu fördern und Foren mit Mehrwert zu schaffen. Ein solcher Zusatznutzen bei der US-Seite Gawker sei etwa, dass User dort sogar Artikeltitel ändern können, erklärte Brodnig. (APA/sb, 26.3.2014)