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Eigentlich hätten die Verteidiger der sechs inhaftierten Angeklagten einen Antrag auf Enthaftung stellen wollen, doch Staatsanwältin Gunda Ebhart (rechts im Hintergrund) kam ihnen zuvor - "aus Gründen der Verhältnismäßigkeit", wie sie sagte.

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Alle Angeklagten im Wiener Neustädter Schlepperprozess sind aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Die Richterin hatte die Verteidiger am Mittwoch eingeladen, Enthaftungsanträge zu stellen.

Doch es kam anders: Am Donnerstag stellte überraschend die Staatsanwältin Anträge auf Enhaftung. Diese wurden in der kurzfristig anberaumten Haftverhandlung auch angenommen. Damit sind alle acht Angeklagten seit Donnerstag auf freiem Fuß. Das Gericht habe die Entscheidung mit Unverhältnismäßigkeit begründet, sagt ein Verteidiger.

Anklagepunkte überschneiden sich

Der Hintergrund: Seit acht Monaten sitzen sechs der acht Angeklagten in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, Teil eines profitorientierten internationalen Schlepperrings zu sein. Doch in der Anklage finden sich nur wenige harte Fakten, die den einzelnen Angeklagten zugeordnet werden können.

Immer wieder werden Vorwürfe erhoben, ohne einen konkreten Tatort, Tatzeitpunkt und sonstige Tatbeteiligte zu nennen. Da heißt es dann, XY habe in der letzten Maiwoche 2013 "hinsichtlich zumindest fünf auszuforschender Personen" die Einreise "gefördert" - in welches Land, wird ebenso wenig erörtert wie die Frage, ob das "Fördern" darin bestanden haben könnnte, selbst hinter dem Lenkrad zu sitzen oder nur an der Autobahnraststätte einen Kaffee zu bezahlen; beides wäre denkbar, sofern sich der Angeklagte daran finanziell bereichert hat.

Dazu kommt, dass die Anklage in Verdacht steht, ein und dieselbe Tathandlung mehrmals anzuklagen. Die Richterin hatte im Zuge der Angeklagten-Vernehmungen entdeckt, dass es "Überschneidungen" in der Anklageschrift gebe. Ein Vorwurf bezieht sich beispielsweise auf den Zeitraum 29. bis 30. Mai, ein weiterer auf dem Zeitraum "um den 30. bis 31. Mai", zwei weitere auf den 31. Mai. Es sei, so die Richterin, also nicht auszuschließen, dass sich mehrere Tatvorwürfe auf ein und dieselbe Tat beziehen.

Akt wird sortiert

Vorsitzende Petra Harbich hat deshalb alle Verhandlungstermine im April wieder abberaumt und am Donnerstag auf 6. Mai vertagt. Sie will den Akt neu ordnen und sich Übersicht darüber verschaffen, was welchem Angeklagten konkret vorgeworfen wird. Ein schwieriges Unterfangen – schließlich stützt sich die Anklage zum Großteil auf Telefonüberwachungen und Beschuldigtenvernehmungen.

Die Telefongespräche, so zeigte sich schon am ersten Verhandlungstag, scheinen jedoch zum Teil fragwürdig ins Deutsche übersetzt worden sein. Die Beschuldigtenvernehmungen wiederum könnten neu gewertet werden, sollte sich beim Neusortieren des Akts herausstellen, dass den Angeklagten zum Teil ganz andere oder weniger Taten vorgeworfen werden als gedacht.

Wie es nun weitergeht: Die Staatsanwaltschaft könnte die Anklage modifizieren, die Vorsitzende könnte aber auch auf Basis der bestehenden Anklage weiterverhandeln. Fix ist, dass am 6. Mai fortgesetzt wird - jenem Tag, an dem eigentlich schon das Urteil verkündet werden sollte. (Maria Sterkl, derStandard.at, 27.3.2014)