Exemplar des Felsenspringers Lepismachilis y-signata.

Foto: Alexander Schneeberg

Jena - Der Geruchssinn ist für Insekten überlebenswichtig: Nur wenn sie kleinste Spuren chemischer Signale wahrnehmen, können sie ihre Nahrung finden, mit Artgenossen kommunizieren und sich vor Fressfeinden schützen. Forschern des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena zufolge haben sich viele Proteine zur sensiblen Wahrnehmung von Gerüchen bei Insekten dennoch erst relativ spät entwickelt. Wie sie aktuell im Fachjournal "eLife" berichten, sei das komplexere Geruchssystem moderner Insekten nicht wie ursprünglich angenommen eine Anpassung an ein Leben außerhalb des Wassers. Vielmehr habe die Entstehung der hochsensiblen Geruchswahrnehmung zu einem späteren Zeitpunkt in der Evolution von Insekten stattgefunden, vermutlich als Insekten das Fliegen lernten.

Viele Insektenarten nutzen drei Familien von Rezeptorproteinen, um die vielen unterschiedliche Gerüche in ihrer Umgebung wahrzunehmen. Dazu zählen die Odorant-Rezeptoren. Sie bilden einen funktionellen Komplex mit einem anderen Protein, dem sogenannten Odorant-Rezeptor-Co-Rezeptor, der den Insekten eine hochempfindliche und schnelle Wahrnehmung von Umgebungsdüften ermöglicht.

Krebse und Insekten stammen von denselben Vorfahren ab. Da Krebse keine Odorant-Rezeptoren haben, gingen Forscher bisher davon aus, dass sich diese Rezeptoren im Zuge das Landgangs früher Insekten entwickelt haben. Diese These basiert auch auf der Annahme, dass für die Vorfahren der heutigen Insekten die Fähigkeit überlebenswichtig war, Duftmoleküle in der Luft und nicht mehr in Wasser aufgelöst wahrzunehmen.

Fehlende Odorant-Rezeptoren

Bisherige Forschungsarbeiten zu Geruchsrezeptoren von Insekten haben sich auf geflügelte Insekten konzentriert. Das Team um Ewald Große-Wilde und Bill Hansson hat jetzt die Geruchswahrnehmung von evolutionsgeschichtlich älteren, flügellosen Insekten genauer unter die Lupe genommen: Sie untersuchten den Felsenspinger Lepismachilis y-signata, das ebenfalls ungeflügelte Ofenfischchen Thermobia domestica sowie das Wandelnden Blatt Phyllium siccifolium, das zu den geflügelten Insekten zählt. Da alle drei untersuchten Insektenarten zu unterschiedlichen Zeiten in der Evolutionsgeschichte der Insekten entstanden sind, hofften die Forscher auf Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der Entstehung von Geruchsrezeptoren.

Christine Mißbach, Erstautorin der Studie, hat die aktiven Gene in den Insektenantennen, auf denen die Geruchsrezptoren sitzen, analysiert. "Das Ofenfischchen, das am engsten mit den fliegenden Insekten verwandt ist, besitzt erstaunlicherweise verschiedene Co-Rezeptoren, während die Odorant-Rezeptoren selbst fehlen", berichtete sie. Im Felsenspringer dagegen haben die Forscher keinerlei Hinweise auf ein Geruchssystem gefunden, das auf Odorant-Rezeptoren basiert.

"Die für den Geruchssinn moderner Insekten wichtige Rezeptorenfamilie ist demnach nicht im Zuge des Landgangs entstanden, sondern weit später in der Evolution", fasst Ewald Grosse-Wilde die Ergebnisse zusammen. Die Forscher glauben, dass die eigentlichen Odorantrezeptoren sich wohl unabhängig vom Co-Rezeptor entwickelten, und zwar lange nachdem die Insekten vom Leben im Wasser auf ein Leben an Land übergegangen waren. In weiteren Untersuchungen wollen die Forscher jetzt herausfinden, warum in manchen Arten nur Co-Rezeptoren vorkommen und welche Funktion sie haben. (red, derStandard.at, 30.3.2014)