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Ukip-Chef Nigel Farage (links) und Vizepremier Nick Clegg von den LibDems.

Foto: Reuters/Ian West

Die Briten haben Cricket, Fußball und Rugby erfunden, dazu die Faustkampfregeln festgeschrieben. Insofern liegt es in der Natur der Sache, dass sie ihr erstes großes EU-Wortgefecht seit langem wie einen Boxkampf inszeniert haben.

In der linken Ecke: Nick Clegg (47), Vizepremier, Chef der Liberaldemokraten, Champion der EU-Freunde. In der rechten Ecke: Nigel Farage (49), Anführer der anti-europäischen UK Independence Party (Ukip), Anwalt für alle, die Brüssel für den Quell allen Übels halten. "Das einzig Gute an Europa", ist für Farage, "dass unser Essen hier besser geworden ist".

Europa ist ein Thema, das die Briten seit Generationen spaltet; unerheblich, dass sich am Mittwochabend beim Londoner Sender LBC zwei Leichtgewichte gegenüberstanden: Clegg fungiert zwar als David Camerons Koalitionspartner, seine Partei läuft aber Gefahr, bei der EU-Wahl am 23. Mai alle zwölf Sitze zu verlieren. Die Ukip hingegen ist im Westminster-Parlament bis heute nicht vertreten. Der Underdog könnte laut Demoskopen dennoch zur stärksten Kraft für Brüssel aufsteigen. Für beide Kontrahenten ging es also um alles.

Für Farage, seit 1999 im EU-Parlament, hat Großbritannien längst die "Kontrolle über seine Grenzen an Brüssel verloren": Weil der Mindestlohn in Rumänien nur ein Neuntel des britischen betrage, warnt seine Partei vor einem Ansturm von 29 Millionen Rumänen und Bulgaren auf die Insel. Clegg hält dagegen, dass es gar keine 29 Millionen Rumänen und Bulgaren gibt. Clegg spricht lieber von 500 Millionen potenziellen Abnehmern britischer Produkte in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum. "Ich will, dass wir Großbritannien bleiben und nicht zu Kleinengland schrumpfen", sagte er.

Farage hingegen hält einen sofortigen Ausstieg aus der EU für unabdingbar, um die Eigenständigkeit zu bewahren. Wie tief seine Verachtung für die Union ist, wurde deutlich, als ein Zuhörer eine Frage zum Thema Ukraine stellt. Die EU habe "Blut an ihren Händen", behauptet Farage; London sollte sich schämen, Brüssels "imperialistische" Politik zu teilen. "Farage stellt sich auf die Seite Putins!", lauteten die Kommentare der LibDems anderntags.

Nach dem Schlagabtausch hing niemand erkennbar in den Seilen. In einer Blitzumfrage sahen 57 Prozent Farage als Sieger, der sich nun auf Augenhöhe mit der ersten Klasse der britischen Politik sieht. Immerhin: Clegg gebührt das Verdienst, es mit dem Populisten aufgenommen zu haben - eine Konfrontation, vor der sich Premier Cameron bisher scheut. (Barbara Klimke aus London, DER STANDARD, 28.3.2014)