"Groß wie nie zuvor" ist der Druck der Werbewirtschaft auf die Medien - und der Druck auf die Werbewirtschaft: Sagt die langjährige Mediaagenturchefin Elisabeth Ochsner am Donnerstagabend. Die Initiative Qualität im Journalismus (IQ) lud zur Debatte über "Journalismus unter Werbedruck".
Kunden "intervenieren aktiv" (oder versuchten das zumindest) in die Berichterstattung über ihre Firma, ihr Management, ihre Marke. Zumindest ebenso "wirklich problematisch" findet Ochsner die Gegenrichtung. Medien böten Werbekunden nicht nur "Gefälligkeitsberichterstattung" und Sonderbeilagen und druckten PR-Artikel "eins zu eins ab". Verleger, Herausgeber erklärten Kunden: Wenn sie nicht Budget x schalteten, "wird die Berichterstattung über Ihr Unternehmen anders ausschauen". "Das ist Alltag", sagt Ochsner.
"Geht einfach nicht"
Medienmacher, denen solche Praktiken nachgesagt werden, wurden angefragt, hieß es in der Debatte, kamen aber nicht. Nicht nur Österreichs übliche Verdächtige überschreiten Grenzen zwischen Redaktion und Werbung - der PR-Ethikrat widmet sich besonders der (ungenügenden) Kennzeichnung bezahlter, redaktionell wirkender Artikel. Erst Stunden vor der Diskussion berichtete das deutsche Branchenmagazin w&v, ein Anzeigenverkäufer des "Handelsblatt" habe ein redaktionelles Leserporträt in der Wirtschaftszeitung für 5000 Euro angeboten. Für STANDARD-Herausgeberin Alexandra Föderl-Schmid fällt das unter "Dinge, die einfach nicht gehen".
Der PR-Ethikrat widmet sich ganz besonders nicht oder nicht ausreichend gekennzeichneten, redaktionell wirkenden, aber bezahlten Artikeln. "Zynisch formuliert, müsste die PR-Branche müsste ja daran interessiert sein, dass Verlage korrupt sind und man sie bestechen kann", sagt Kommunikationswissenschafter Wolfgang R. Langenbucher, der dem Rat noch bis Jahresende vorsteht: "Aber die PR-Branche denkt da anders, sie will ihre Reputation wahren". Fälle von "schwarzen Schafen" würden ihm aber regelmäßig geflüstert, räumt er ein - nur ließen sich die wenigsten nachweisen.
"Nicht eine Seite nicht bezahlt"
In der Medienbranche hat Langenbucher manche Genres und Titel unter Generalverdacht: "Ich würde schätzen, dass in Zeitschriften wie 'Falstaff' nicht eine einzige Seite nicht bezahlt ist." Diesen Verdacht äußert er recht freimütig, auch wenn er dann gleich wieder Post von Rechtsanwälten bekomme wie von manchem Boulevardtitel, den der Ethikrat unter Schleichwerbeverdacht hatte.
Kennzeichnung von Werbung und ihre klare Trennung von der Redaktion würde Langenbucher langsam gerne dem (öffentlich geförderten und damit professioneller organisierten) Presserat überantworten. Föderl-Schmid rät PR-Ethikrat und Presserat, grundsätzlich enger zusammenzuarbeiten. Und Presseförderung nur jenen Medien zu überweisen, die sich dem Ehrenkodex und Verfahren des Presserats unterwerfen. Die STANDARD-Herausgeberin regt Presserat, PR-Ethikrat, IQ zu einem gemeinsamen Jahresbericht zur Lage des Journalismus und der Medien an - sie verweist auf den gerade erschienenen neuen US-Bericht "State of the News Media" des Pew Research Center.
Ochsner bezweifelt die Bedeutung von Kennzeichnung und Trennung für die Nutzer: "Dem Leser ist es egal, weil er nicht weiß, was er da unterscheiden soll, ob gekennzeichnet oder nicht." Sie sieht eine "völlig ungebildete Öffentlichkeit, was die Medienbildung anlangt." Und Ochsner erinnert sich an einen Volksschuldirektor, der ihr einst nicht glauben wollte, dass die "Krone" Österreichs meistgelesene Zeitung ist. Die Media-Expertin rät: "Her mit den Publizistikstundenten - bildet sie zu Lehrern aus!"
"Werbung will beeinflussen"
"Werbung will beeinflussen", erinnert Ochsner, die lange die Panmedia leitete, und findet: "Solange es um Waschmittel geht, ist das im Großen und Ganzen unbedenklich." Nicht aber, wenn dieser Werbe-Druck von politischen Werbekunden kommt.
Öffentliche Stellen müssen seit 2012 ihre Werbe-Buchungen melden. 2013 gaben sie rund 200 Millionen Euro an. Ochsner schätzt den tatsächlichen Wert jedenfalls 20 bis 25 Prozent höher. Das wären weitere 40 bis 50 Millionen Euro. Das Transparenzgesetz lasse - wie berichtet - Lücken, in der Debatte fallen nur die Bagatellgrenzen von 5000 Euro: Wer weniger bucht, braucht nicht melden. Plakate sind ebensowenig zu melden wie etwa Zeitungsbeilagen, die seltener als viermal jährlich erscheinen. (red, derStandard.at, 28.3.2014)