Die "Rinnende Mauer" ist ein seltenes Naturphänomen.

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Anreise: mit dem Zug bis Kirchdorf/Krems, weiter mit dem Postbus 433

Route: Gasthaus Stefaniebrücke - Mündung Krumme Steyrling - Rinnende Mauer - Flötzersteig Krumme Steyrling - Maultrommelweg - Gasthaus Stefaniebrücke

Schwierigkeiten: Der alpine Steig verlangt an manchen Stellen Trittsicherheit.

Einkehr: Gasthaus Stefaniebrücke; Auf dem Maultrommelweg: Schaubetrieb Wimmer

Karte: Kompass WK 70, Nationalpark Kalkalpen

Grafik: DER STANDARD

"Hört man lange genug in das Rauschen des Wassers, verliert sich Raum und Zeit", steht am Beginn dieser Wanderung auf einer Infotafel. Wir sind gespannt, was damit gemeint ist.

Rasch führt der Weg vom Gasthof Stefaniebrücke unweit des Nationalparkzentrums Kalkalpen in Molln hinunter ans Ufer der smaragdgrünen Steyr. In jahrtausendelanger Arbeit hat der Fluss hier eine imposante Schluchtlandschaft aus dem Felsen modelliert. Beeindruckend die bis zu 40 Meter hohen Wände aus Konglomeratgestein - einst lockere Schotterablagerungen, die in den letzten Eiszeiten durch Gletscher zu festem Gestein verkittet wurden.

Durch die unwirklich anmutende Szenerie führt ein romantischer Schluchtsteig, der sich entlang der Konglomeratwände dahinschlängelt, mal nah am Ufer, mal hoch über dem Fluss. Wir folgen dessen Lauf zunächst bis zur Mündung der Krummen Steyrling, die wir auf einem Holzsteg überqueren, um dann zur Oberkante der Steyrschlucht hinaufzusteigen. Hier oben eröffnen sich grandiose Tiefblicke.

Eine Wand wie ein Sieb

Wenig später steigen wir auf einem schmalen Pfad wieder in den Talgrund der Schlucht hinab, wo wir auf ein weiteres seltenes Naturphänomen treffen: die "Rinnende Mauer". Aus dem vermeintlich undurchdringlichen Konglomeratgestein tropft und rinnt es, als wäre es ein Sieb. Verursacher ist aufgestautes Hangwasser, das sich durch poröse Stellen neue Wege nach draußen sucht. Begünstigt durch den immerwährenden Sprühregen hat sich hier ein kleiner, kostbarer Naturgarten gebildet, in dem seltene Pflanzen wie Behaarte Alpenrose, Zwergalpenrose, Petergstamm oder Jägerblut gedeihen.

Auf dem Rückweg folgen wir der Steyr bis zur besagten Mündung der Krummen Steyrling, der wir uns nun anschließen. Entlang des sogenannten Flötzersteigs erleben wir eine weitere beeindruckende Schlucht und die dschungelartige, der Natur überlassene Wildnis. Mitunter abenteuerlich schlängelt sich der Weg durch umgefallene Bäume und Felsbrocken oder verläuft unter Konglomeratdächern, wo man tunlichst den Kopf einziehen sollte. Bei einer kleinen Flusswarte wenden wir uns nach rechts und erreichen wenig später Molln und eines seiner Aushängeschilder: den Maultrommel-Schaubetrieb Wimmer.

Molln gilt seit über 400 Jahren als Mittelpunkt der europäischen Maultrommelproduktion, weshalb sich das in vielen Kulturkreisen bekannte Instrument auch im Gemeindewappen wiederfindet. Das Handwerk wurde hier in seiner Glanzzeit von bis zu 33 kleinen Familienbetrieben ausgeübt - heute sind es mit Franz Wimmer nur mehr drei.

Brummeisen-Botschafter

In seiner 40 Quadratmeter großen Werkstatt hängen unzählige Exemplare von Maultrommeln, darunter philippinische aus Bambus oder eine äußerst schwierig zu spielende japanische aus Holz. In aller Herren Länder exportiert er die eigenen "Brummeisen", stellt sie oft persönlich zu. Diese Weltreisen haben ihm den Beinamen "Klingender Botschafter" eingebracht. "Erfunden wurde die Maultrommel aber keineswegs in Molln!", verrät er, bevor er zum Solokonzert ansetzt. Es war der Weltreisende und Erstbesteiger der Eiger-Nordwand, Heinrich Harrer, der ihn vor vielen Jahren darüber aufklärte, dass dieses Instrument ursprünglich aus Sibirien kommt.

Wimmers Demonstration klingt noch ein wenig nach auf dem Maultrommelweg durch Molln, zurück zur Stefaniebrücke. Und nur langsam verlieren sich der massive Sound der Steyr und der filigrane Klang der Maultrommel. (Thomas Rambauske, DER STANDARD, Album, 29.3.2014)