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Die sozialen Proteste in Venezuela haben vorwiegend wirtschaftliche Wurzeln.

Foto: apa/gutierrez

Caracas - Die zunehmenden politischen und sozialen Spannungen drängen Venezuela an den Rande des Abgrunds. Vor Kurzem hat die Regierung in einem Finanzmanöver die Landeswährung um 88 Prozent gegenüber dem US-Dollar abgewertet. Die spanische Zeitung "El Pais" schreibt von einer "Giga-Geldentwertung". Venezuela kämpft schon länger mit Problemen und einer der höchsten Inflationsraten des Globus.

Grund für die jetzige drastische Abwertung des "Bolivar" ist die Wechselkurspolitik der linksnationalistischen Regierung. Je nach Dringlichkeit des Bedarfs ab importierten Waren werden von der Regierung beim Kauf von Devisen drei verschiedene Wechselkurse verordnet. Um die Spanne zwischen dem Preis des offiziellen Dollars und dem "Parallel-Dollar" am Schwarzmarkt zu verringern, dekretierte die Regierung die höchste jemals gewesene Abwertung der Nationalwährung.

Schwache Infrastruktur

Kritiker befürchten, dass diese Maßnahme zu spät erfolgt und der Dollar auf dem Schwarzmarkt wieder steigen wird, sobald die staatlich erlaubte Auszahlungen von Devisen wieder knapp werden. Mit dieser Maßnahme will die Regierung auch die Reserven an nationaler Währung der staatlichen Erdölgesellschaft wieder auffüllen. Die Erdölindustrie leidet an schwacher Infrastruktur und fehlenden Innovationen, die Produktion stagniert.

Der Staat mit einer der größten Erdölreserven weltweit ist in Bedrängnis, die Produktion ist außerdem mit Hypotheken belastet. Im hoch verschuldeten Land fehlen Devisen an allen Ecken, diese sind aber lebensnotwendig für eine fast rein auf Import zentrierte Wirtschaft. Von Ökonomen kommt immer wieder scharfe Kritik an der Wirtschaftspolitik des Landes. David Rees, Analyst bei Capital Economics, nannte die Politik Venezuelas im Herbst des Vorjahres ein "Desaster".

Krise

Im Jahr 2013 stieg die Inflation auf fast 57 Prozent, für heuer rechnet man bis zu 18 Prozent Defizit des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Chronische Engpässe bei elementaren Waren des täglichen Bedarfs und lange Warteschlangen zählen zum Alltag der Venezolaner.

Der Staat erlebt eine akute Krise auf politischer und auf wirtschaftlich-struktureller Ebene. In den langen Jahren des Erdölbooms und der "Petrodollars" wurde es verabsäumt, im produktiven Sektor zu investieren. Statdessen wanderten gewaltige Mengen Kapital ins Ausland, Misswirtschaft und staatliche Korruption verschärften die Situation.

Soziale Proteste

Angesichts dieser wirtschaftlichen Schieflage ist ein Ende der sozialen Proteste in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Seit dem 12. Februar demonstrieren in mehreren Städten Venezuelas Studenten und unzufriedene Bürger einer gebildeten Mittelschichte gegen die wirtschaftlichen Engpässe, gegen staatliche Korruption, Zensur und polizeilicher Willkür. Die Proteste haben bis jetzt 35 Tote, mehr als 300 Verletzte und an die 2000 Verhaftungen zur Folge gehabt.

Über 70 Fälle von Misshandlungen und Menschenrechtsverletzungen wurden seit Beginn der Proteste angezeigt. Die Opposition prangert den Einsatz von paramilitärische Einheiten und Agent-Provokateurs an, die absichtlich Gewaltausschreitungen provozieren. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte wurden in diesem Zusammenhang in den vergangenen Wochen festgenommen. Die Opposition spricht von einem bloßen Propaganda-Akt der Regierung.

Zerbröckeln

"Präsident Nicolas Maduro verfolgt die Theorie des versuchten 'weichen Putsches' und Verschwörungen der Opposition", meinte Siva-Ferrer. Der Experte zweifelte auch den Wahrheitsgehalt der jüngsten Bekanntgabe der Regierung an, wonach drei Generäle der Luftwaffe festgenommen worden seien, die einen Staatsstreich geplant hätten. Auffällig dabei sei, dass die Namen der Generäle bis jetzt nicht bekannt gegeben worden seien.

Mit dem Symbol einer offenen Hand gegenüber der Regierung setzt die Opposition fünf Hauptanliegen als Bedingungen für den Dialog in ihrem Programm voraus. Unter anderem fordert sie ein Ende der Lebensmittelknappheit und eine Reaktivierung des produktiven Sektors, weiters ein Ende der grassierenden Kriminalität. Unter den derzeitigen Vorzeichen sind dies Wünsche, die selbst beim besten Willen von der Regierung in absehbarer Zeit nicht zu erfüllen wären.

Damit scheint ein ernsthafter Dialog zwischen den verfeindeten Lagern von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die Opposition hegt jedoch die Hoffnung, dass die Front der Regierungsanhänger aufgrund der zunehmend katastrophalen Lage der Wirtschaft zu zerbröckeln beginnt. (red/APA, 28.3.2014)