Wäre in Österreich der Adel nicht längst abgeschafft – man müsste glatt verzweifeln, wenn man liest, was die Fürsten und Gräfinnen in der Reichshaupt- und Residenzstadt so treiben. Fürst setzte Gräfin vor die Tür, titelte die "Kronen Zeitung" am Donnerstag und nobilitierte en passant den Delogierungsvorgang gleich mit: Adeliger Rechtsstreit, beziehungsweise acht Jahre adeliger Mietstreit – und der Konflikt schwelt mehr denn je.

Die kognitive Dissonanz in fast allerhöchsten Kreisen hätte größer kaum sein können, wie der skurrile Adelskampf bewies. Wien, 8 Uhr: Private Sicherheitskräfte und Polizeibeamte läuten an der Tür im zweiten Stock. Die Gräfin öffnet – zuckt laut Polizeiprotokoll aus. Als "tobende Psychose" wurde der gräfliche Auszucker im Polizeifunk diagnostiziert, die Spezialeinheit Wega rückte an, Notärzte. Allerdings, die Historikerin will den "schwersten Schlag" in ihrem Leben ganz anders erlebt haben: "30 bis 40 Polizisten sind hereingestürmt, haben meine Unterlagen in Säcke gestopft." In die Psychiatrie wollte man sie gar stecken – "ich bin doch nicht wahnsinnig".

Dass sie Kinderwagen im Haus in Brand gesetzt, Nachbarn tyrannisiert haben soll, sei völlig falsch und würde der Lebensmaxime "Noblesse oblige" auch total widersprechen. Die Gräfin wisse genau, warum man sie aus dem Haus raushaben möchte: "Die wollen mein Heim für reiche Russen, Oligarchen. Die bauen da ein Kasino." Na so was! Der auch schon? Da darf man sich nicht wundern, wenn sich die Gräfin vom Fürsten ihr sehr persönliches Bild macht. "Ja, rechtlich hat dieser Schwarzenberg alles gewonnen. Doch Ehre und Anstand hat er nicht." Wenn es nur nicht zum Duell kommt!

"Heute" entlastete diesen Fürsten ein wenig, war es doch seine Stiftung, der es nach gräflicher Meinung an Ehre und Anstand gebricht. Die wusste sich einfach nicht mehr anders zu helfen, denn "die Räumung musste nur stattfinden, weil Frau Gräfin den gerichtlichen Entscheidungen einfach nicht entsprechen wollte", so die Stiftung. Daher: Mietstreit unter Adeligen endet mit Polizeieinsatz. Auch nicht die feine Art.

Nicht jede Zwangsräumung in Wien erfreut sich derart breiter Berichterstattung. Gründlicher als die beiden Kleinformate beleuchtete der "Kurier" die soziologischen Hintergründe des adeligen Rechtsstreits. Gräfin mit behinderter Tochter aus Wohnung delogiert, titelte er das Unfassbare. Die Bewohnerin des 300 Quadratmeter-Appartements ist ein bekanntes Gesicht der Wiener Society. Geholfen hat es nichts. Die Gräfin, so der "Kurier" unter hartnäckiger Verweigerung des Gräfinnentitels, entstammt einem alten Adelsgeschlecht. Doch das europäische Kulturerbe erwies sich in ihrem Fall als ungepflegt, denn genau diese Verwandtschaft setzte sie jetzt auf die Straße. "Mein Neffe will mich seit 2006 aus der Wohnung haben. Wir hatten immer ein nahes Verhältnis. Ich weiß nicht, woher dieser Hass kommt", erzählt die Gräfin , als der "Kurier" sie in den Abendstunden trifft.

Da befand sie sich vermutlich schon im Sitzstreik vor dem Justizpalast – schwer zu fassen, wie rasch Proletarisierung fortschreiten kann. Aber kein Wunder: Nach der Delogierung war sie sogar beim Bundespräsidenten, um Hilfe zu erbitten. Gewöhnliche Sterbliche gehen zur Mietervereinigung, dort wird ihnen eher geholfen. Die einzige Information, die sie dort erhielt, war eine Liste mit Notschlafstellen. Da stand ihre Reaktion fest: Sitzstreik vor dem Justizpalast. "Ich werde so lange dort sitzen, bis mein Fall neu aufgerollt wird", sagt sie. Merk's, Neffe!

Anderswo hat man es besser. Beneidenswert, wer in seine strategischen Überlegungen den Erwerb einer Eigentumswohnung einplanen kann, ohne deshalb aufs Geld schauen zu müssen. Da zweifelt, zum Beispiel, kein Mensch mehr daran, und "News" schon gar nicht, dass Cressida Bonas, 25, in absehbarer Zeit als Gattin des britischen Prinzen Harry, 29, eine der großzügig bemessenen königlichen Immobilien beziehen wird. Cressida: blaue Augen, blaues Blut – und ein perfekter Plan. Hinter den Kulissen ist sie eiskalt und berechnend. Da muss sie Delogierung kaum fürchten. (Günter Traxler, DER STANDARD, 29.3.2014)