"Ich lasse mich nicht in diese Auseinandersetzung drängen." - Heinz Fischer zum Streit über einen U-Ausschuss in Sachen Hypo.

Foto: Der Standard/Cremer

"Klar ist, dass Kärnten ein bisserl mehr beitragen muss als andere."

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STANDARD: Andreas Mölzer, FPÖ-Frontmann für die EU-Wahl, hat sich dafür entschuldigt, das Dritte Reich im Vergleich zur Union als "formlos und liberal" bezeichnet zu haben. Glauben Sie an seine Reue - oder ist er reif für den Rücktritt?

Fischer: Mölzer hat ja auch diese schreckliche Äußerung mit dem Begriff "Negerkonglomerat" gemacht, für die man seine Entschuldigung vielleicht noch gelten lassen kann. Aber seine Aussage, dass die NS-Diktatur mit weniger Regeln ausgekommen ist als die Europäische Union, ist völlig absurd und inakzeptabel. Wofür hat das Dritte Reich denn weniger Regeln gebraucht? Damit es Millionen Menschen - Juden und politische Gegner - gesetzlos und rechtlos in den Tod schicken kann? Damit es willkürlich einen Weltkrieg entfesseln kann? Das als liberal, als Vorteil dieses Systems hervorzuheben, macht mich sprachlos.

STANDARD: Den Rücktritt wollen Sie ihm aber nicht nahelegen?

Fischer: Ich habe mir mein Urteil gebildet - und auch der Betroffene muss wissen, was er zu tun hat.

STANDARD: Mölzer denkt nicht im Geringsten an Mandats- oder Kandidaturverzicht. Ist der Fall wieder einmal erledigt?

Fischer: Keinesfalls. Denn diese Entgleisung wird immer in seiner Biografie stehen. Für mich sind diese Vorfälle nicht erledigt.

STANDARD: Den Ausdruck "Neger" will Mölzer weiterhin verwenden - was sagen Sie Menschen, die an diesem Begriff festhalten?

Fischer: In meinem Sprachgebrauch findet dieses Wort sicher keine Verwendung. Und ich will mich mit Mölzer nicht länger auseinandersetzen.

STANDARD: Ist es nicht gut möglich, dass die FPÖ mit alledem bei Teilen der Bevölkerung punktet?

Fischer: Ganz sicher nicht.

STANDARD: Was macht Sie da so sicher?

Fischer: Weil sich auch jeder freiheitliche Wähler bei solchen Äußerungen schockiert fühlen muss.

STANDARD: EU-Mandatar Ewald Stadler wiederum, früher bei FPÖ und BZÖ, nun Reformkonservativer, will das EU-Parlament abschaffen, spricht von einer "Veranstaltung hochbezahlter Autisten" ...

Fischer: Ich lasse mich jetzt nicht auf ein Kandidatenscreening der verschiedenen Parteien ein. Das ist nicht meine Aufgabe.

STANDARD: Laut einer Umfrage für den STANDARD halten aber 26 Prozent der Österreicher das EU-Parlament für verzichtbar. Möglicherweise trifft Stadler damit den Nerv der Bevölkerung?

Fischer: Solchen Ansichten muss man mit einer sauberen europäischen Politik entgegenwirken. Wer eine europäische Demokratie will, braucht auch ein europäisches Parlament. Die Idee der Europäischen Union hat viel Positives bewirkt - nicht zuletzt die friedliche Zusammenarbeit von 28 Nationalstaaten. Gleichzeitig sind natürlich auch Fehler gemacht worden.

STANDARD: Zum Beispiel?

Fischer: Man hat etwa dem Thema Bankenaufsicht zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und man hat Regelungen getroffen, wo keine notwendig sind.

STANDARD: Die Gurkenkrümmung?

Fischer: Ja. Die Union ist nicht fehlerlos. Aber ich sehe auch mit Genugtuung, dass das EU-Parlament von Wahl zu Wahl mehr Einfluss bekommt. Deshalb werde ich die Österreicher auch zum gegebenen Zeitpunkt bitten, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Mitbestimmen ist besser, als nachher zu schimpfen.

STANDARD: Apropos Wählerfrust: Verstehen Sie Wutbürger Roland Düringer, den Kabarettisten, der wegen des Milliardendebakels rund um die Kärntner Hypo dem Finanzminister einen erbosten Brief geschickt hat?

Fischer: Natürlich. Ich habe etliche Düringers in meiner Post!

STANDARD: Was wollen all diese Düringers?

Fischer: Vielerlei. Aber ich habe auch ganze Postmappen, auf denen "Hypo" draufsteht. Viele fordern einen U-Ausschuss, andere bitten um Aufklärung, wie das passieren konnte und wie hoch die Kosten sein werden, andere beklagen sich über das parteipolitische Hickhack zu diesem sensiblen Thema. Und ich bemühe mich, auch zu antworten.

STANDARD: Binnen eines Monats haben mehr als 100.000 die Online-Petition der Opposition für einen U-Ausschuss zur Hypo unterschrieben. Sind Sie für ein parlamentarisches Kontrollgremium?

Fischer: Als Bundespräsident habe ich weder die Absicht, in dieser Frage die Linie der Regierungsparteien zu unterstützen, noch jene der Opposition. Das Einsetzen eines U-Ausschusses liegt allein in der Verantwortung des Parlaments.

STANDARD: Nach drei Jahrzehnten als Parlamentarier werden Sie aber eine Meinung dazu haben?

Fischer: In dieser Zeit habe ich an die vierzig Diskussionen und Entscheidungen erlebt, ob zu damaligen Missständen ein U-Ausschuss eingerichtet werden soll oder nicht - und sie werden keinen einzigen Fall finden, bei dem sich ein Bundespräsident eingemischt hat. Auch ich lasse mich jetzt nicht in diese Auseinandersetzung drängen. Das muss der Nationalrat selbst entscheiden.

STANDARD: So wirkt es aber, als ob Sie strikt den Regierungskurs unterstützen, der eine selbsterfundene "U-Kommission" anstatt eines medial öffentlichen U-Ausschusses zur Causa prima vorsieht?

Fischer: Mit solchen Eindrücken muss ich leben, obwohl sie nicht der Realität entsprechen.

STANDARD: Die Opposition wirft Ihnen vor, mit Ihrem ausdrücklichen Lob für die "U-Kommission" und deren Vorsitzende mitzuhelfen, das Parlament zu umgehen.

Fischer: Es ist meine feste Überzeugung, dass die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, Irmgard Griss, eine hervorragend qualifizierte, objektive Persönlichkeit mit Untersuchungserfahrungen ist und einen Beitrag zur Aufklärung der fragwürdigen Vorgänge um die Bank leisten kann. Wenn der Nationalrat sein eigenes Versprechen eingehalten und zeitgerecht eine neue Verfahrensordnung beschlossen hätte, dann gäbe es wahrscheinlich schon einen Untersuchungsausschuss zur Causa Hypo Alpe Adria.

STANDARD: Aber selbst Griss, die Leiterin der "U-Kommission", sagt, dass ihre Untersuchung kein Ersatz für einen U-Ausschuss sein kann, weil damit nicht die politische Verantwortung geklärt wird.

Fischer: Klar ist auch, dass die Kommission von Griss nicht dieselben Rechte hat wie ein U-Ausschuss. Trotzdem kann sie einen Beitrag leisten, Licht in diese scheußliche Sache zu bringen.

STANDARD: In einem Werkvertrag mit der Regierung wurde ihre Verschwiegenheitspflicht geregelt, das klingt doch nicht danach, dass hier Missstände zutage gefördert werden sollen?

Fischer: Meines Wissens haben Sie das missverstanden. Es soll vertraglich die Möglichkeit geschaffen werden, dass zum Beispiel die Banken oder die Ministerien ermächtigt sind, auch vertrauliche Unterlagen der Kommission zu Untersuchungszwecken zur Verfügung zu stellen. Damit sie sich ein umfassendes Bild machen kann. Aber offenbar gefällt Ihnen der U-Ausschuss besser.

STANDARD: Vorausgesetzt, dass sich die Parteien endlich auf eine U-Ausschuss-Reform einigen. Denn sonst drehen SPÖ und ÖVP doch mit ihrer Mehrheit das Kontrollgremium ohnehin wieder vorzeitig ab?

Fischer: Das Parlament muss sich weiterentwickeln, keine Frage. Und zu den Prioritäten gehört momentan sicher die Reform der Bestimmungen in den U-Ausschüssen. Die Einberufung soll ein Minderheitsrecht werden - und auch die Abläufe sind rechtstaatlicher zu gewährleisten.

STANDARD: Parlamentspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) und ihr Vize Karlheinz Kopf (ÖVP) haben angeregt, die Immunität der Abgeordneten für die Dauer eines U-Ausschusses auszusetzen. Eine gute Idee?

Fischer: Ich kann mir das in der Form vorstellen, dass die Mitglieder eines U-Ausschusses für gesetzwidriges Handeln während ihrer Tätigkeit belangt werden können.

STANDARD: Woran denken Sie da?

Fischer: Etwa wenn Mandatare Zeugen mit Verbalinjurien belegen oder gesetzliche Verschwiegenheitspflichten verletzen.

STANDARD: Zurück zu Kärnten: Soll das Land das gesamte Geld aus dem Zukunftsfonds herausrücken, um den Schaden durch die marode Bank wiedergutzumachen?

Fischer: Alle müssen dazu etwas beitragen. Und klar ist, dass Kärnten ein bisserl mehr beitragen muss als andere. Schließlich hat das ganze Schlamassel rund um die Hypo in Kärnten mit Jörg Haider seinen Ausgang genommen.

STANDARD: Also sollen die Kärntner alle 500 Millionen Euro hergeben?

Fischer: Ja, aber darüber muss verhandelt werden. Immerhin stammt das Geld des Fonds ja aus dem Verkauf der Hypo an die Bayerische Landesbank.

STANDARD: Verstehen Sie, dass sich die Kärntner dagegen immer noch sträuben?

Fischer: Ich verstehe vor allem, dass diejenigen, die Haider von Anfang an durchschaut haben, sich dagegen sträuben, mit denjenigen, die Haider zugejubelt und unterstützt haben, in einen Topf geworfen werden. Das werden schwierige Verhandlungen werden, aber die Existenz dieses Zukunftsfonds mit Geld aus der Hypo ist jedenfalls eine Realität. (Peter Mayr, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 29.3.2014)