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Strahlender Sieger: Andrej Kiska in der Nacht auf Sonntag.

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Es ist kurz vor Mitternacht, als Wahlsieger Andrej Kiska sichtlich erleichtert vor die Kameras tritt. In einem Hotel in Bratislava übertönen Jubelschreie, "Andrej"-Rufe und der Applaus die Worte des parteilosen Polit-Neulings. Er betont, dass er seine Versprechen einhalten werde, die er im Wahlkampf immer wieder gegeben hatte. Er wolle das Vertrauen in das Präsidentenamt wiederherstellen und dazu beitragen, dass sich die Bürger "in ihrem Land gut fühlen". Er wolle die Bürger motivieren und verbinden, ein "Präsident des anständigen Mannes" sein.

Noch vor Kiska wendet sich Premierminister Robert Fico, begleitet von einigen Parteikollegen seiner linksorientierten Smer-SD, an die Öffentlichkeit. Seine Reaktion ist verhalten: Als etwa zwei Drittel der Stimmen ausgezählt sind, gratuliert er seinem Kontrahenten bereits und bedankt sich bei den Wählern. Raum für Fragen wird nicht eingeräumt. Fico will sich "ein paar Tage Auszeit" nehmen, um den Wahlkampf zu analysieren. Er hatte lange als der eigentliche Favorit gegolten.

Politologen deuten das Wahlergebnis auch als Denkzettel für die Partei Smer-SD, die seit 2012 mit 83 von 150 Sitzen die Mehrheit im Parlament bildet und ohne Koalitionspartner regiert. Auch wenn der Premier im Wahlkampf häufig betont hatte, dass die Präsidentschaftswahl im Grunde ein Referendum über seine Person und die Partei Smer-SD sei, hatte er bereits im Vorfeld angekündigt, dass er nicht vorhabe, politische Konsequenzen zu ziehen, sollte er nicht zum Präsidenten gewählt werden. Er habe schließlich bei den Parlamentswahlen 2012 ein starkes Mandat erhalten.

Dass nun ein Kandidat Präsident wird, der nie Mitglied in einer Partei war, spricht für die Politikverdrossenheit der Bürger. Dieses Phänomen der "unpolitischen Politik" wie der Analytiker der Agentur Polis Ján Baránek es gegenüber der Presseagentur Sita nennt, erinnere an die jüngste Vergangenheit in Tschechien; oder an die Regionalwahlen vor kurzem in der Slowakei, als ein Rechtsextremer Vorsitzender der Selbstverwaltungsregion Banská Bystrica wurde.

Unpolitische Politik

Als Andrej Kiska im Oktober 2012 ankündigte, bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zu kandidieren, war er ein weitgehend unbekanntes Gesicht. Seine Wahlkampagne baute darauf, dass er eben keine Partei und keinen großen Sponsor hinter sich hatte. Das große Geld machte der 51-jährige Ingenieur für Elektrotechnik mit Finanzierungsgesellschaften, die ihren Kunden umstrittene Ratenkäufe und Kredite anboten.

Im Jahre 2005 verkaufte Kiska schließlich seine Firmenanteile für mehrere Millionen Euro an die VÚB banka. Ein Jahr später begann er sich der karitativen Arbeit zu widmen. Mit "Dobrý Anjel" (Guter Engel) gründete er eine der heute größten Hilfsorganisationen des Landes, die Familien mit kranken Kindern finanziell unterstützt. Eigenen Worten zufolge zeigte ihm dieses solidarische Engagement, wie groß das Versagen des Staates sei - besonders im Sozial- und Gesundheitssystem.

Als Kiska in der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen nur vier Prozentpunkte weniger Wählerstimmen erhielt als der Premierminister, galt dies als Überraschung. Es folgten zwei Wochen harter Wahlkampf. Die Gegner verteilen etwa Flugblätter, auf denen Kiska eine Verbindung zur Sekte Scientology unterstellt wurde. Ficos Homepage wiederum wurde kurz vor der zweiten Wahlrunde gehackt: Auf der Startseite prangte ein Text, der seinen Rücktritt von der Wahl verkündete.

Kiska wird der vierte slowakische Präsident sein, der in einer Direktwahl bestimmt wurde. Ivan Gasparovic verabschiedet sich nach zwei Amtszeiten am 15. Juni in den Ruhestand. An diesem Tag wird Kiska vereidigt und zieht dann für die nächsten fünf Jahre in den Präsidentenpalast ein. (Katrin Litschko aus Bratislava, DER STANDARD, 31.3.2014)