Washington - Es begann mit einem historischen Flop, einer Blamage für den Präsidenten. Doch ein halbes Jahr nach dem Start von Barack Obamas umstrittener Gesundheitsreform ist ein Meilenstein erreicht.
Vor allem in den letzten Wochen vor Fristablauf gab es offenbar einen wahren Ansturm auf Versicherungen, wie das Weiße Haus wissen ließ. So wurden während des Endspurts 27.000 Helfer mobilisiert, um Bürger bei der Anmeldung zu unterstützen. Das Weiße Haus dementierte zwar einen Bericht der "Washington Post", wonach die Frist verlängert werde. Es machte aber deutlich, dass jeder, der am Stichtag seine Anmeldung eingeleitet habe, diese auch zu Ende führen könne.
Sechs Millionen Anträge
Wie viele Amerikaner sich nun erstmals krankenversichern lassen, wird sich erst in einigen Monaten feststellen lassen. Am vergangenen Donnerstag hatte das Weiße Haus von sechs Millionen Versicherungsabschlüssen gesprochen. Unklar ist allerdings, wie viele der Versicherungsnehmer am Ende auch tatsächlich die Beiträge überweisen.
"Obamacare" ist das wichtigste und größte Reformwerk des Präsidenten. Das Ziel: Zugang zu einer Krankenversicherung für etwa 40 Millionen US-Bürger, die bisher keinen solchen Schutz hatten.
Doch nachdem Obama die Reform gegen den erbitterten Widerstand der Republikaner 2010 durchgeboxt und der Oberste Gerichtshof das Projekt bestätigt hatte, wurde der Start am 1. Oktober 2013 ein gigantischer Reinfall. Die umgerechnet 129 Mio. Euro teure Internetseite der Regierung, über die Bürger bis Ende März neue Versicherungen beantragen können (www.healthcare.gov), erwies sich als technisches Fiasko. Anmeldewillige verzweifelten an Fehlermeldungen oder kamen erst gar nicht ins System.
Die Blamage zwang Obama, sich öffentlich zu entschuldigen. "Das ist meine Schuld", sagte der Präsident kleinlaut und räumte ein: "Wir hätten mehr tun können." Gleichzeitig nutzten die oppositionellen Republikaner die Pannen, um ihre Kritik an der Reform noch zu verschärfen. Das Projekt werde die Kosten in die Höhe treiben und Jobs kosten. Zur Zielscheibe wurde auch Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius. Aber nach technischen Nachbesserungen konnte sie Ende 2013 immerhin verkünden, dass sich 2,1 Millionen Bürger angemeldet hätten.
Millionen Policen gekündigt
Es taten sich jedoch weitere Kontroversen auf. So wurden entgegen einem Versprechen Obamas bestehende Versicherungspolicen von Millionen Amerikanern gekündigt, weil sie den neuen Standards nicht entsprachen. Der Präsident entledigte sich eilends des Problems, indem er es aufschob: Bis 2015 haben Versicherungsfirmen Zeit, die Policen wieder in Kraft zu setzen.
Überdies werden Teile der Reform vom obersten US-Gericht überprüft. Es muss entscheiden, ob von Arbeitgebern bezahlte Krankenversicherungen auch Verhütungsmittel abdecken müssen. Zwei Unternehmen, die das aus religiösen Gründen ablehnen, hatten Klage eingereicht. Das Urteil soll in den kommenden Monaten fallen.
Das größte Risiko für "Obamacare" steht aber im November an. Bei den Kongresswahlen werden alle Mitglieder des Repräsentantenhauses sowie ein Drittel des Senats neu bestimmt. Da laut Umfragen derzeit nur 38 Prozent der Bürger die Gesundheitsreform gutheißen, könnten die Republikaner, die die neue Krankenversicherung am liebsten abschaffen würden, bei der Wahl dazugewinnen. Dann wird sich erweisen, ob Äußerungen Obamas von Dezember 2013 noch Bestand haben werden: "Das wird eine Hinterlassenschaft, auf die ich stolz sein werde." (APA, 30.3.2014)