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Dieser Mann wäre am 22. Februar auf dem Maidan beinahe gelyncht worden, weil ihn Demonstranten für einen Scharfschützen hielten

Foto: REUTERS/Baz Ratner

Kiew/New York - Die Ermordung von 56 Demonstranten durch Scharfschützen auf dem Maidan in Kiew führte am 20. Februar zur Eskalation der Ukraine-Krise und dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch. Moskau und die ukrainische Übergangsregierung beschuldigen sich gegenseitig, die Killer beauftragt zu haben. Eine US-Nachrichtenseite will nun "starke Indizien" für die Verantwortung des Janukowitsch-Regimes haben.

Der Nachrichtenseite vorliegende Fotos und insgesamt 90 Gigabyte Videomaterial zeigten Männer der Anti-Terrorismuseinheit "Alfa Team" des Geheimdienstes SBU, wie sie sich am 20. Februar im Innenhof der SBU-Zentrale "kampfbereit" machten, schreibt das Nachrichtenportal "The Daily Beast" in einem am Sonntag veröffentlichten Artikel. Das Gebäude befinde sich lediglich drei Straßen vom Maidan (Unabhängigkeitsplatz) entfernt. Viele der Männer seien auf den Bildern von "SBU-Offizieren und privaten Verteidigungsexperten aus einer Vielzahl von westlichen Staaten" als Mitglieder des "Alfa Teams" identifiziert worden.

Der SBU ist die Nachfolgeorganisation des einstigen Ukraine-Ablegers des sowjetischen Geheimdienstes KGB und gilt bis heute als äußerst Moskau-nahe. Das "The Daily Beast" vorliegende Material - das auszugsweise auch auf der Webseite der Nachrichtenplattform publiziert wurde - zeige "Alfa Team"- und SBU-Mitglieder, "die Körperpanzerung, Helme und andere Ausrüstung anlegen, nach Munition greifen und Scharfschützengewehre sowie umgebaute Sturmgewehre zur Schau stellen".

Einige "Alfa"-Mitglieder trügen "tödliche Splittergranaten". "Nicht die Ausrüstung, die benutzt wird um Menschenmassen unter Kontrolle zu halten", zitiert die Seite einen "westlichen Militärbeamten".

US-Botschafter: "wichtige Indizien"

Der US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, erklärte gegenüber "The Daily Beast" die Fotos seien, "sehr wichtige Indizien für das, was am 20. Februar passierte". Der ehemalige Präsident der NGO "Freedom House" bezeichnete das Material sogar als "smoking guns" und als "ein wichtiger Beitrag, um der Wahrheit näher zu kommen". Die Fotos und Videos stammen nach Angaben der Seite von "normalen Ukrainern, die mit keiner Regierungsbehörde in Verbindung stehen - weder in der Ukraine noch im Ausland."

Über die Herkunft der Scharfschützen vom Maidan hatte es zuletzt widersprüchliche Angaben gegeben. Ursprünglich hatte es in Berichten aus Kiew geheißen, die Todesschützen würden fast ausschließlich aus den Reihen der damaligen Sicherheitsbehörden und der Bereitschaftspolizei stammen. Dann berichtete der estnische Außenminister Urmas Paet in einem Gespräch mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton von Augenzeugen, denen zufolge dieselben Scharfschützen sowohl auf Demonstranten als auch auf Sicherheitskräfte geschossen hätten. Das nährte den Verdacht, radikale Oppositionskräfte könnten für die Gewalt verantwortlich sein - eine Version, die die russische Seite in den vergangenen Tagen vehement unterstützte. Zuletzt erklärte der russische UNO-Botschafter Vitali Tschurkin sogar, die US-Botschaft in Kiew stehe mit den Schüssen in Zusammenhang. (red/APA, 30.3.2014)