Ein Kanu auf der Vézère in der Nähe von Le Moustier. An schönen Sommertagen kann es hier schon einmal zu Staus kommen.

Foto: Michael Freund

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Für die zugegebenermaßen langwierige Anreise in das Périgord gibt es mehrere Möglichkeiten: etwa den Flug mit Lufthansa von Wien nach Toulouse (mit einem meist nur kurzen Zwischenstopp); oder einen der zahlreichen Flüge nach Paris, und dann weiter mit dem TGV in Richtung Bordeaux zu den größeren Bahnhöfe Bergerac oder Périgueux in rund viereinhalb Stunden. Vor Ort geht es mit Nahverkehrszügen weiter, vor allem die Strecke längs der Dordogne ist relativ gut ausgebaut. Um die vielen kleinen sehenswerten Orte in der Region zu besuchen, ist es allerdings fast unmöglich, auf ein eigenes Auto oder einen Mietwagen zu verzichten.

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Im Périgord findet sich freilich die ganze Bandbreite von Unterkünften - von der Frühstückspension bis hin zum luxuriösen Schlosshotel; besonders lohnend sind aber gerade in dieser Region die Chambres d'hôtes, also Privatzimmer mit Frühstück. Die Zimmer sind nicht nur günstig, sondern sie werden häufig in stilvollen alten Landsitzen oder in historischen Gebäuden angeboten und bieten teilweise Komfort, der mit guten Hotels vergleichbar ist. Gites de France listet diese Objekte im ganzen Land und vergibt für sie eine vierstufige Bewertung, ähnlich dem Hotel-Sterne-Prinzip. Weitere Unterkünfte unter: www.dordogne-perigord-tourisme.fr

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Am 30. April erscheint von Martin Walker der mittlerweile sechste Fall für Bruno, Chef de police, unter dem Titel Reiner Wein (in der deutschen Übersetzung von Michael Windgassen bei Diogenes). Apropos Wein: Nach der zweitgrößten Stadt des Périgord, Bergerac, ist hier das wichtigste Anbaugebiet Bergeracois benannt. Es grenzt an die Region Bordeaux, dementsprechend ähnliche Rebsorten gibt es: etwa Merlot, Sémillon, Sauvignon und Muscadelle. Bekannt ist die Region auch für die Schwarze- oder Périgordtrüffel - man sammelt sie von November bis Mitte März.

Weitere touristische Infos: http://at.rendezvousenfrance.com

Wenn eine Gegend seit mehr als 30.000 Jahren ununterbrochen bewohnt ist, dann muss an ihr etwas dran sein. Wenn die frühen Siedler dort lange Zeit als unser aller Vorfahren galten und einer ganzen Epoche den Namen gaben, dann wächst die Neugierde.

Also auf zu einen Ort mit dem komplizierten Namen Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil im südwestfranzösischen Périgord, wo diese Vorfahren zuerst gesichtet wurden, allerdings nurmehr als Knochenreste. "Cro-Magnon" klingt wie aus Star Wars, hat aber einen viel bodenständigeren Ursprung: Cro heißt einfach Mulde auf Okzitanisch, und Monsieur Magnon war der Mann, der die Knochen vor 150 Jahren ebendort gefunden hat.

Inzwischen ist Les Eyzies der Mittelpunkt einer Region, in der jede Höhle, Mulde, Grotte und was es sonst noch an frühen Behausungen gegeben hat, erforscht worden ist. Etliche kann man besuchen, und ein eigenes, hervorragend gestaltetes Museum weist den Ort als Zentrum prähistorischer Forschung aus.

Doch zugegeben, der Cro-Magnon-Mensch alleine hätte nicht die Reise in das Périgord gerechtfertigt. Man gelangt weniger leicht hierher als sagen wir in die Provence oder gar an die Côte d'Azur. Es liegt etwas abseits der großen Straßen und der Flughäfen. Aber gerade deshalb, und weil man einiges von Freunden gehört hat, die schon da waren, und weil man Bücher gelesen hat - Reiseführer und Belletristik, wir kommen noch auf sie zurück -, aus all diesen Gründen macht man sich auf den Weg.

Letztlich ist es ein Grund, und der geht so: Es gibt sie noch, die guten Klischees. Zum Beispiel das vom Leben in einer übersichtlichen Umgebung, nicht zu groß, aber auch nicht zu einsiedlerisch, gemächlich, dabei voll in der Gegenwart und dennoch mit einem Hauch von guter alter Zeit, etwa dergestalt, dass jedes bessere Dorf noch drei Bäcker hat.

Leben also wie Gott in - genau: in Frankreich. Das zumindest ist die landläufige Vorstellung. Fragt sich, ob man sie leben oder zumindest einen halben Sommer lang erleben kann.

Museum in Mulden

Wir reden nicht vom ganzen Périgord, das dem über 9000 km2 großen Département Dordogne entspricht, sondern von seinem "schwarzen" Teil, den viele als das Herz bezeichnen; er hat nicht wegen der Trüffel diesen Beinamen bekommen, sondern wegen seiner undurchdringlichen Wälder.

Womit wir bei der für Touristen typischen Frage sind, ob die Region "einladend" ist oder nicht. Manches an ihr wirkt trutzig, als müsste man sie eher erobern als gemütlich begehen, die mehr als 500 Schlösser und Burgen etwa, die zahlreichen an Felsen und in Höhlen gebauten Maisons (auch das Prähistorische Museum klebt teilweise an einer vertikalen Felswand mit ihren Mulden). Und die Wälder sind in der Tat so dicht, dass man als Uneingeweihter schnell den Vorsatz aufgibt, hier zu wandern, nach Schwammerln zu suchen oder im Herbst und Winter nach Trüffeln.

Umso mehr laden die Dordogne und die Vézère ein, die zwei breiten Flüsse, die sich in großen S-Kurven durch die Landschaft schlängeln. Auf ihnen herrscht an schönen Sommertagen - und fast alle Sommertage sind hier schön - ein derartiges Aufgebot an Paddelbooten, dass es an manchen Stellen zu Staus kommt.

Wer es doch etwas eiliger hat und viel vom Périgord sehen will, hat kaum Alternativen zu den Landstraßen, die sich durch die Wälder winden oder den Mäandern der Flüsse anpassen. Keine Autobahnen (wenigstens nicht im schwarzen Teil), keine Schnellstraßen und TGVs, außerdem und wohl damit zusammenhängend keine Hotel- und Restaurantketten: Es ist nicht klar, ob dies eine Folge hartnäckiger Politik der Périgourdins ist, aber man möchte es gerne glauben. So wie es auch schön zu sehen ist, dass nicht die Dörfer den Autos angepasst wurden, sondern umgekehrt. Die Häuser, die seit Jahrhunderten hier standen, stehen immer noch, und die Autos sind dafür klein und wendig und durchaus manchmal ein wenig verbeult. Auch das gehört zum romantischen Bild vom ländlichen Frankreich.

Noch ist das Mietauto nicht verbeult, und die Straße, vom Nordosten her die Dordogne entlang, verleitet auch nicht zu waghalsigen Manövern. Schon für das zu Recht so genannte Beaulieu mit seiner Insel im Fluss sollte man sich Zeit lassen und dann auch für die ersten Schlösser, die sich vorwiegend an den Flusskrümmungen, also praktisch ständig präsentieren. Wobei sie nur einen Vorgeschmack von dem bieten, was einen westwärts erwartet.

Belagerung von Burgen

Vorher allerdings lohnt ein Abstecher nach Sarlat-la-Canéda. Es gilt mit seinen restaurierten Bauten aus praktisch allen Perioden der letzten 800 Jahre als touristisches Zentrum der Region, ist überlaufen, und dennoch sollte man ruhig dazu beitragen, den Wirbel zu verstärken - Basilika und Marktplatz allein sind schon den Abstecher wert.

Zurück am Fluss ist die Burg Castelnaud nicht zu übersehen. Seit dem 13. Jahrhundert thront sie auf einem Felsen über der Dordogne, eine Ritterburg mindestens so sehr aus dem Bilderbuch wie Hochosterwitz. Hat man den auch heute nicht leichten Aufstieg geschafft, wird man mit intakten Anlagen, einer Flut von Schauräumen und einer Art Freilichtmuseum belohnt, in dem die Besucher mittelalterliche Trébuchets - riesige Steinschleudern für Belagerungszwecke - vorgeführt bekommen, allerdings ohne echte Eroberung.

Egal in welche Richtung es nun weitergeht, von Schlössern und Burgen wäre noch lange und bis zur Ermüdung zu berichten. Nur eines sollte noch erwähnt werden, weil es gleich flussabwärts liegt und weil es, obwohl ehrwürdig alt, eine Wendung in ein Kapitel kulturpolitischer Gegenwart erfahren hat: Die amerikanische Tänzerin Josephine Baker hatte sich in den 1930er-Jahren in das Schloss Les Milandes verliebt, kaufte und restaurierte es und machte es zur Heimat für ihre "Regenbogenfamilie" von zwölf adoptierten Kindern aus aller Welt - ein soziales Experiment, das mehrere Jahre währte. Es hat nicht nur die ersten modernen Strom- und Wasseranschlüsse in diesen Teil des Périgord gebracht, sondern auch ein reiches dokumentarisches Erbe hinterlassen - dortselbst zu besichtigen.

Doch wir wollten ja vor allem sehen, wie es sich heute in diesem Teil Frankreichs lebt. Eine Ahnung bekommt man in Dörfern wie Saint-Cyprien: unaufgeregt, nur ein bisserl aufgemascherlt, wenn gerade Markt ist, und mit genau den Cafés, die einem Ruhe und Gelassenheit vermitteln. Ein Gläschen Weißwein für die nächsten Stunden wird mit der gleichen Nonchalance serviert wie ein wunderbares dreigängiges Menü.

Wehr gegen Wein-Investoren

Dasselbe gilt für Le Bugue, einen etwas größeren Ort an der Vézère. Er war ein Fixpunkt der Reise, weil hier in der Nähe Martin Walker anzutreffen ist. Walker hat in seinen Krimis dem Leben im Périgord das wohl dichteste Denkmal gesetzt. Die Bücher sind nicht so sehr wegen der unwahrscheinlichsten Verkettungen von Zufällen interessant, die Bruno, Chef de police, immer souverän löst.

Vielmehr lässt der Schotte Walker, der teils in Washington als Vorsitzender eines Thinktanks und teils im Périgord wohnt, seine Figuren all die Stückln spielen, die nach seiner Ansicht den Charakter der Périgourdins ausmachen: Wenn sie etwa die Brüsseler Richtlinien ignorieren und den Käse machen, den sie für den besten halten, weil ihn schon der Urgroßvater so gemacht hat, Hygiene hin, Paragrafen her; oder wenn sie sich gegen amerikanische Wein-Investoren wehren.

Eine Spur Lokalchauvinismus spielt immer mit. Doch der Autor, der in Le Bugue, Vorbild für seinen fiktiven Ort Saint-Denis, gerne mit einem alten 2CV unterwegs ist (sicher ein nettes Kontrastprogramm zu Washington), findet das gut und richtig so, ist doch die Gegend, die er seit fast 40 Jahren kennt, für ihn nicht nur "die Wiege der Menschheit" - so der offizielle Werbespruch -, sondern auch sein erworbenes "Eckchen vom Paradies".

Noch etwas weiter im Westen aber - die Flüsse haben sich bei Limeuil vereinigt - trifft man oberhalb der Dordogne auf einen Ort, der sozusagen offiziell unspektakulär und gerade deswegen einen Besuch wert ist: Als Claude Chabrol für seinen Film Le Boucher (Der Schlachter, 1970) ein ganz normales, (zunächst) idyllisches französisches Dorf suchte, kam er auf Trémolat, 600 Einwohner, Gemeindeverband des Trüffel-Terroirs und alles da: La Mairie (das Rathaus), La Poste, die Auberge du Saint-Hilaire und der verbeulte 2CV auf dem Hauptplatz (kein Witz - als hätte man ihn extra hingestellt).

Nur den Schlachter, also einen Fleischhauer, gibt es nicht mehr. Man kauft jetzt im kleinen Supermarkt. Dessen Slogan lautet "Vive la vie!" Kann man so sagen. (Michael Freund, DER STANDARD, Album, 31.3.2014)