Wien - Mit einer Konferenz im Gesundheitsministerium haben am Montag die Beratungen über die Zukunft der medizinischen Primärversorgung in Österreich begonnen. Statt des einzelkämpferischen Arztes in seiner Praxis soll die Kooperation der Gesundheitsberufe im Mittelpunkt stehen, hieß es am Montag in einer Pressekonferenz. Beschlüsse sollen zur Jahresmitte fallen, Pilotversuche zu Jahresende starten.

Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) sprach in einer Pressekonferenz vor Konferenzbeginn von der Notwendigkeit einer "radikalen Veränderung", um die Bedürfnisse der Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten im ambulanten Bereich müsse künftig standardisiert und durchgängig angeboten werden, ergänzte Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Zwar kümmerten sich schon heute manche Ärzte darum, "aber das findet eher auf der Hobbyschiene statt".

Mangelhafte Öffnungszeiten, wenig Zuwendungsmedizin

Es seien vor allem die mangelhaften Öffnungszeiten und zu wenig Zuwendungsmedizin in den Arztpraxen, die die Patienten kritisierten, sagte der Vorsitzende des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Hans-Jörg Schelling. Wichtig sei die Einbindung aller Gesundheitsberufe. Der Arzt solle dabei als "Gesundheitskoordinator durch das System" fungieren. Viele Hürden gebe es beim Berufsrecht oder bei Haftungsfragen, die Systemänderung werde daher noch einige Gesetzesänderungen notwendig machen.

Dass es mit den gut 20.000 Arztpraxen in Österreich bereits ein funktionierendes "Primary Health Care"-System gebe, betonte Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger. Veränderungen will aber auch er. "Die Medizin ist arbeitsteilig geworden." Die Behandlung vor allem chronischer Erkrankungen sei so komplex geworden, "dass der Hausarzt dringendst Unterstützung braucht". Noch gebe es auch keine Steuerung. "Derzeit stimmen die Menschen mit den Füßen ab und gehen in die Krankenhausambulanzen."

Pilotprojekte geplant

Ein Pilotprojekt mit Ärzten, Therapeuten und Pflegepersonal unter einem Dach soll noch heuer in Enns starten, und auch Wien hat bereits drei Modelle in Vorbereitung, sagte Wehsely. Man wolle unterschiedliche Konzepte testen, bevor man sie flächendeckend ausrolle, erklärte sie. Für das sprichwörtliche Tiroler Bergdorf gebe es dabei natürlich andere Ansprüche als für eine Großstadt wie Wien. Die verschiedenen Modelle sollen bereits in der Testphase laufend evaluiert werden.

Grundlage für all das ist die von Bund, Ländern und Sozialversicherung ausverhandelte Gesundheitsreform. Dass das Land Niederösterreich den in diesem Zusammenhang nötigen Landeszielsteuerungsvertrag noch immer nicht zusammengebracht hat, ist laut Stöger noch kein Problem. Er deutete an, dass man das Überschreiten des Zieltermins Ende März um einige Tage auch noch akzeptieren werde. Sollten Land und Sozialversicherung aber gar nichts zustande bringen, werde die Bundeszielsteuerungskommission Festlegungen für Niederösterreich treffen.

Reaktion: ÖVP pocht auf hausärztliche Versorgung

ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger hat am Montag auf die Rolle der Hausärzte als erste Anlaufstelle im Gesundheitssystem gepocht. Jegliche Versuche, sie durch primäre Versorgungsteams zu ersetzen und ihre Verantwortung unklar zu gestalten, werde von der ÖVP nicht unterstützt, betonte Rasinger - selbst praktischer Arzt und langjähriger Ärztekammer-Funktionär - in einer Aussendung.

"Eine zwanghafte Gleichmacherei kann zwischen Ärzten, Krankenschwestern und Ordinationsassistentinnen schon allein wegen der unterschiedlichen Ausbildungen nicht funktionieren", erklärte er anlässlich der Konferenz zu "Primary Health Care" im Gesundheitsministerium. Best-Practice-Modelle sollten möglich sein, allerdings müssten sie nach einigen Jahren auf Wirksamkeit evaluiert und nicht "zwanghaft verordnet" werden.

Die Wiener Ärztekammer forderte zusätzliche Kassenplanstellen. Präsident Thomas Szekeres sah sich durch eine am Sonntag veröffentlichte Umfrage bestätigt, laut der fast 70 Prozent der Menschen in Österreich bei ausreichender Verfügbarkeit auch nachts und am Wochenende den Hausarzt der Spitalambulanz vorziehen würden. (APA, 31.3.2014)