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Nur mehr ein Viertel der Bevölkerung im Erwerbsalter arbeitet in stabiler Vollzeitbeschäftigung. Das bringt oft auch finanzielle Nachteile mit sich.

Foto: dpa-Zentralbild/Jens Kalaene

Wien - Die Arbeiterkammer Wien hat in einer Umfrage unter 500 von Arbeitslosigkeit Betroffenen ermittelt, wie sie mit der Situation zurecht kommen. Demnach muss sich die Mehrheit bei den Ausgaben deutlich einschränken, ein beträchtlicher Anteil leidet auch gesundheitlich unter dem Jobverlust. Konsumverzicht ist eine häufige Reaktion, auch für die Kinder ist weniger da.

Bei der vom IFES (Institut für Empirische Sozialforschung) im Auftrag der AK Wien durchgeführten Umfrage wurden 500 Personen in Wien befragt, die in den vergangenen 12 Monaten zumindest einmal arbeitslos waren - oder es noch sind. Von den Befragten hatten 42 Prozent Pflichtschulbildung, 20 Prozent wiesen Hochschulbildung auf. Auffallend ist der hohe Anteil von atypischen Arbeitsverhältnissen vor der Arbeitslosigkeit. So hatte rund ein Viertel (24 Prozent) in den letzten fünf Jahren überwiegend befristete Beschäftigungen.

Unfreiwilliger Jobverlust

Nur rund ein Drittel der Befragten (32 Prozent) war in den letzten fünf Jahren in Normalarbeitsverhältnissen (Vollzeit und ausschließlich unbefristet) tätig. 42 Prozent waren überwiegend in anderen, also atypischen Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Befristungen, Teilzeit, freie Dienstverhältnisse, Leiharbeit und geringfügige Beschäftigung bedeuten ein deutlich höheres Risiko für Arbeitslosigkeit, erläutert der IFES-Experte Georg Michenthaler.

Der Jobverlust war bei der überwiegenden Mehrheit der Befragten unfreiwillig: Nur jeder Zehnte hat selbst gekündigt, 46 Prozent gaben eine "einvernehmliche Kündigung" an. Dabei handelt es sich laut dem Experten allerdings meist um eine Trennung, die vom Arbeitgeber ausgeht. 28 Prozent wurden offiziell durch den Arbeitgeber gekündigt, bei 16 Prozent endete das Arbeitsverhältnis durch Fristablauf.

Beträchtliche finanzielle Einbußen

Die mit der Arbeitslosigkeit verbundenen finanziellen Einbußen sind beträchtlich: Der Einkommensverlust durch die Erwerbslosigkeit betrug im Schnitt 44 Prozent. Lag das durchschnittliche persönliche Monats-Nettoeinkommen der Befragten vor der Arbeitslosigkeit bei 1.420 Euro, sank es während der Arbeitslosigkeit auf 796 Euro. Um den Einkommensverlust abzufedern konnte nur jeder Zweite (49 Prozent) auf eigene Ersparnisse zurückgreifen. Daneben helfen das Einkommen des Partners (29 Prozent) sowie Finanzspritzen aus dem Familienkreis (27 Prozent) oder private Geldausleihen (17 Prozent), die Einbußen zumindest teilweise auszugleichen. Jeder Fünfte (19 Prozent) überzieht während der Arbeitslosigkeit das Bankkonto - was bekanntlich mit hohen Zinsen verbunden ist. Einen Bankkredit nahmen nur 5 Prozent auf.

Mit dem niedrigeren Einkommen während der Arbeitslosigkeit kam fast jeder Zweite (48 Prozent) nicht aus. Je länger kein Arbeitseinkommen, umso schlimmer wurde die Lage: Bei mehr als 25 Wochen Arbeitslosigkeit wurden die finanziellen Einbußen für 63 Prozent der Befragten ein "sehr großes Problem".

Negative Folgen für Kinder

Jeder Dritte (33 Prozent) sah sein gesundheitliches Wohlbefinden eingeschränkt, wobei hier Frauen deutlich mehr betroffen waren (39 Prozent) als Männer. Bei knapp einem Drittel (31 Prozent) litten die sozialen Kontakte, die Beziehungen zu Freunden und ehemaligen Kollegen. Bei mehr Kindern im Haushalt gaben 35 Prozent an, die Arbeitslosigkeit habe auch negative Folgen für ihre Kinder. Den Verzicht auf Schulaktivitäten ihres Kindes nannten 9 Prozent, den Wegfall von Nachhilfestunden 7 Prozent.

Wegen der Geldknappheit gerieten 22 Prozent während der Arbeitslosigkeit sogar mit ihren Mietzahlungen in Rückstand - eine existenzielle Frage, denn wer die Wohnung verliere und auf der Straße lande finde schwer wieder zurück. Eine sehr häufige Reaktion auf den Geldmangel ist Konsumverzicht: 58 Prozent gaben an, bestimmte Dinge einfach nicht mehr zu kaufen, 61 Prozent suchten verstärkt nach Billigangeboten. Insgesamt reichten trotz teilweise massiver Einsparungen bei 44 Prozent die Einnahmen nicht für die Deckung der laufenden Haushaltsausgaben aus.

Die Studie wird am Dienstag, 1. April, im Rahmen der AK-Tagung "Brennpunkt Arbeitslosenversicherung" präsentiert.

AK fordert Verbesserungen Arbeitslosenunterstützung

Für die Arbeiterkammer ist das Ergebnis der Umfrage ein Alarmsignal. Arbeitslosigkeit dürfe nicht zur Armutsfalle werden. Daher sollten Arbeitslose finanziell bessergestellt werden: Die AK fordert eine Anhebung des Arbeitslosengelds und eine Entschärfung der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe. Das Arbeitslosengeld sollte länger bezahlt werden.

Konkret soll die derzeit geltende Nettoersatzrate von 55 Prozent angehoben werden. Eine Erhöhung auf 60 Prozent würde jährlich 230 Mio. Euro kosten, rechnet AK-Arbeitsmarktexperte Gernot Mitter vor. Die Entschärfung der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe käme auf rund 80 Mio. Euro pro Jahr.

Die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds aus der Arbeitslosenversicherung solle deutlich angehoben werden. Derzeit gibt es eine Staffelung von 20, 30, 39 und 52 Wochen - je nach Alter und Beschäftigungsdauer. Den EU-Schnitt von 12 Monaten Arbeitslosengeld sehe die österreichische Regelung nur für über 50-Jährige mit langer Beschäftigungsdauer vor.

Veränderter Arbeitsmarkt

Finanziert werden sollen diese Maßnahmen durch Einhebung einer Arbeitsmarktförderungs-Abgabe von Erwerbstätigen, die derzeit keinen Beitrag zur Arbeitsmarktpolitik leisten. Ein Volumen von bis zu 500 Mio. Euro wäre hier laut AK möglich.

Der österreichische Arbeitsmarkt habe sich verändert, konstatiert die AK, der "Normalfall" werde zunehmend von atypischen Arbeitsformen abgelöst. Nur mehr ein Viertel der Bevölkerung im Erwerbsalter arbeite in stabiler Vollzeitbeschäftigung mit einem Einkommen über der Niedriglohnschwelle, ein weiteres Viertel zum überwiegenden Teil in solchen Erwerbsformen. Atypische Arbeit, Niedriglohnbeschäftigung und Arbeitslosigkeit kommen immer häufiger vor. Daher müsse auch eine strategische Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik erfolgen, um die Menschen bei Brüchen im Erwerbsleben besser zu unterstützen. (APA, 31.3.2014)