Israels Präsident Shimon Peres sieht die Nahost-Friedensverhandlungen in einer heiklen Phase. Dass Wien weiter keine UN-Soldaten auf den Golan schickt, bedaure er, sagte er zu Alexandra Föderl-Schmid zum Abschluss seines dreitägigen Staatsbesuchs.

STANDARD: Haben Sie bei Ihren Gesprächen in Wien Signale erhalten, dass Österreicher als UN-Soldaten auf den Golan zurückkehren?

Peres: Das hängt nicht von uns ab, sondern davon, was in Syrien passiert. Die österreichische Entscheidung wurde getroffen, weil das Land zerfällt. Man kann Syrien kaum noch einen Staat nennen. Wenn die Regierung mehr als 140.000 Menschen umbringt, 600.000 sind in Krankenhäusern und sechs Millionen geflohen: Was können da 1160 Soldaten ausrichten? Auch wenn sie einen guten Job machen: Die Zukunft Syriens ist unklar.

STANDARD: Verstehen Sie also die Entscheidung Österreichs?

Peres: Ich bin nicht überrascht, bedauere dies. Aber ich kann die Entscheidung verstehen.

STANDARD: Sie haben in Wien auch den Chef der Atomenergiebehörde Yukiya Amano getroffen. Haben Sie Informationen bekommen, die Sie optimistischer oder pessimistischer bezüglich eines Abkommens mit dem Iran machen?

Peres: Es geht nicht um Optimismus oder Pessimismus, sondern zu sehen, was machbar ist. Die IAEO-Verhandlungen laufen auf zwei Ebenen, jener der Experten und der Politiker im Rahmen der 5+1-Gespräche (Anm.: UN-Vetomächte plus Deutschland). Experten können nicht wie Politiker agieren. In der Politik kann es mehr als eine Wahrheit geben. Bei Fachleuten gibt es nur eine Wahrheit. Da muss man präzise, transparent, objektiv sein, ohne Vorurteile. Wenn die Experten-Kommission politisch agiert, wird man das Vertrauen verlieren. Ich weiß, dass der Generaldirektor professionell bleiben will, aber er steht unter Druck. Ich hoffe, er wird seinen Job machen. Sein Problem sind die Iraner, die mehr als eine Wahrheit haben. Es ist schwierig zu entscheiden, was wahr ist und was nicht.

STANDARD: Zum Iran sagten Sie in Wien: Wir wollen statt Worten Taten sehen. Was genau meinen Sie?

Peres: Es gibt Verpflichtungen, die man gegenüber den Verhandlern eingegangen ist, die noch nicht erfüllt sind. Es gibt Anfragen betreffend weiterer Kontrollen, die man noch nicht beantwortet hat. Sie sagen, sie sind gegen die Atombomben, entwickeln aber Nuklearwaffen. Sie sagen, sie sind für Frieden, sind aber ein Zentrum des Terrorismus. All diese Widersprüche machen den Iran zum gefährlichsten Land unserer Zeit. Nicht nur gegenüber Israel, sondern auch für den Rest der Welt.

Präsident Rohani war in Davos beim Weltwirtschaftsforum sehr eloquent, hat am Ende aber einen Fehler gemacht: Er sagte, der Iran will freundschaftliche Beziehungen zu allen Ländern. Dann kam die Frage: Gehört auch Israel dazu? Er hat nur gelächelt. Sein Lächeln hat ihn verraten. Wenn man Frieden mit allen Ländern schließen will, warum nicht auch mit Israel? Israel ist kein Gegner, keine Bedrohung. Wir müssen nüchtern sein und hoffnungsvoll.

STANDARD: Seit acht Monaten laufen die Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern. Glauben Sie, dass US-Außenminister John Kerry bis Ende April ein Abkommen zustande bringen wird?

Peres: Das ist meine Hoffnung. Er arbeitet hart. Es ist vermutlich der letzte Moment, in dem man eine Übereinkunft erreichen kann. Frieden hängt an kleinen Details.

STANDARD: Die Europäer sehen den Siedlungsbau der Israelis sehr kritisch. Verstehen Sie diese Kritik?

Peres: Ich verstehe jede kritische Äußerung. Zwei Argumente zugunsten der Regierung: Wenn man sagt, Israel wird diese Gebiete nie zurückgeben - das ist Unsinn. Wir hatten Krieg mit Ägypten und Jordanien. Wir haben die Kriege gewonnen, aber Frieden geschlossen. Wir haben alles zurückgegeben. Warum sollen wir uns bei den Palästinensern anders verhalten? Aber es gibt Sicherheitsprobleme. Zweitens: Es gibt keine Alternative zur Zwei-Staaten-Lösung, weder für uns noch für die Palästinenser. Es braucht mehr Zeit, als ich erwartet habe. Aber weder die Palästinenser noch wir können uns leisten, einander zu ignorieren. Wir können nicht aufeinander hinabschauen. Da wir zu zweit sind, müssen wir zu zweit leben.

STANDARD: Angesichts der Stärke rechter Parteien und wiederholter Verharmlosung der NS-Zeit: Hat man die Lektionen des 20. Jahrhunderts in Österreich gelernt?

Peres: Seid wachsam! Nehmt Antisemitismus, Rassismus und Nazi-Sprüche ernst. Hitler hat den größtmöglichen Schaden verursacht. Hitler hat gemeint, er kann Deutschland über ganz Europa ausbreiten. Jetzt sind Deutschland und Österreich europäisiert. Es gibt die EU. Aber seid wachsam! (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 2.4.2014)