Stanislav in einem Anzug von Giorgio Armani, einem Hemd von Prada, Socken von Item M6 und Schuhen von Z Zegna.

Foto: Irina Gavrich

Stanislav in einem Hemd von Dolce & Gabbana, Weste von Z Zegna, Krawatte von Giorgio Armani, Sonnenbrille von Dior Homme und Uhr von Rolex.

Foto: Irina Gavrich

Stanislav in einem Anzug von Acne, Poloshirt Peter Petrov, Schuhe Dr. Martens, Socken Item M6, Uhr Rolex; Valerie ineinem Kleid von Prada.

Foto: Irina Gavrich

Hemd Hugo, Pullunder Ermenegildo Zegna, Hose Hermès, Socken Item M6, Schuhe Giorgio Armani, Krawatte Louis Vuitton, Uhr Rolex.

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Valerie in einem Kleid von Peter Pilotto, Blazer Wendy & Jim, Sonnenbrille Ray Ban; Stanislav in Hemd und Sakko von Prada, Hose Petar Petrov, Sonnenbrille Dior Homme, Uhr Rolex.

Foto: Irina Gavrich

Eine regelrecht haarsträubende Geschichte des britischen Illustrators Stephen Collins ist dieser Tage in der deutschen Übersetzung erschienen: Der kahlköpfige Dave lebt ein angepasstes Leben als Datenanalytiker der Firma A & C Industries. Wohlig hat er es sich eingerichtet in seiner Welt der Zahlen, die ein ordentliches Dasein in geregelten Bahnen verspricht.

Doch eines Tages gerät er - der keiner Fliege ein Härchen krümmen kann - ins Visier eines kafkaesken Systems. Der Grund: Aus seinem Gesicht sprießt ein Bart von apokalyptischem Ausmaß. Nächtelang versucht er das borstige Monstrum zu bändigen, selbst eine Heerschar von Frisören ist unfähig, seinem Wildwuchs im Gesicht Einhalt zu gebieten. Bartträger sind suspekt, subversiv und potenziell gefährlich, so die Conclusio der Graphic Novel "Der gigantische Bart, der böse war".

Bartträger sind böse

Das, was Kinder spätestens seit Hatschi Bratschis Luftballon und Räuber Hotzenplotz wissen, dürfen Erwachsene, die das seit 09/11 schon wieder vergessen haben, neu lernen: Bartträger sind böse! Oder etwa doch nicht? Besonders im alten Ägypten diente das sekundäre Geschlechtsmerkmal als heiliges Symbol für die magische Verbindung zur göttlichen Energie.

Allerdings überließen die Pharaonen nichts dem individuell wuchernden Zufall, sondern kultivierten den kunstvoll geflochtenen Zeremonialbart am Kinn, der bei mäßigem Bartwuchs auch mal angeklebt wurde. In der griechischen Mythologie galt der Pelz im Gesicht als Sitz der Weisheit, des Lebens und der Macht. Nicht zuletzt wurde die Omnipotenz des göttlichen Häuptlings Zeus durch den üppigen Vollbart signalisiert.

Unter Alexander dem Großen war es durch die verordnete Zwangsrasur zunächst einmal vorbei mit dem Gesichtsteppich. Der moderne Krieger sollte dadurch einen Vorteil gegenüber dem bärtigen Feind haben, denn im Nahkampf zählte das Reißen und Zerren am zotteligen Terminalhaar des Gegners zur gängigen Praxis der Kriegsführung.

Jahrhundertelange Bartpolitik

Letztendlich erzählt die Geschichte des Barts nicht selten von den haarigen Vorlieben der jeweiligen Herrscher, die darüber verfügten, ob Mann seine glatte oder raue Seite zum Ausdruck bringen durfte. So führte etwa Zar Peter der Große eine Bartsteuer ein, und in England um 1900 musste für das Kraut im Gesicht ein Obolus entrichtet werden, wobei ein einfaches Bärtchen nur halb so viel kostete wie etwa Koteletten.

Mit der französischen Juli-Revolution von 1830 avancierte die wallende Backenmähne zunehmend zum Kennzeichen des politischen Ungehorsams. Ein Symbol, das bis ins 20. Jahrhundert überdauerte und durch Che Guevara, Fidel Castro oder die Hippiegeneration der späten 1960er-Jahre am Leben gehalten wurde. Der Bart als Statement gegen das kapitalistische Establishment des dekadenten Westens - das schließlich durch Osama bin Laden untragbar geworden war.

Neuerdings lässt es Mann trotzdem wieder gehörig wuchern. Davon zeugen zumindest die vergangenen internationalen Männermodeschauen in New York oder Paris, wo auffallend häufig Models mit gepflegt zugewachsenem Gesicht über den Laufsteg spazierten. Damit ist auch klar: Die Zeiten, in denen der unkontrolliert sprießende Vollbart ein Politikum darstellte, dürften endgültig vorbei sein.

Antwort auf Unisex

Der haarige Trend, der ausgehend von den USA zunehmend auch auf Europa überschwappt, könnte die längst ausstehende Antwort auf Unisex und Metrosexualität mit ihrer rasierten und gelaserten Oberflächlichkeit sein. Auch hierzulande werden die getrimmten Fussel im Gesicht verstärkt nachgefragt: "Während im Vorjahr in erster Linie der Dreitagesbart als attraktiv galt, buchen seit wenigen Monaten vor allem Kosmetik- und Modeunternehmen verstärkt tätowierte Models, die einen gestylten und äußerst gepflegten, etwa fünf bis zehn Zentimeter langen Vollbart tragen", sagt Stefanie Anastase, Geschäftsführerin der Wiener Agentur Model Republic. Mit dem früheren Grunge-Look habe das überhaupt nichts zu tun - der dürfte endgültig passé sein, ergänzt die Expertin.

Remington - einer der marktführenden Produzenten von Barttrimmern - verzeichnet seit 2009 stetig Zuwächse in diesem Kernsegment. 2013 wurden in Österreich insgesamt mehr als 53.000 Schneidwerkzeuge zum Stutzen der Gesichtswolle an den Mann gebracht. Das entspricht einem Zuwachs von rund sechs Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Laut aktuellen Prognosen ist die Tendenz weiterhin steigend, heißt es vonseiten des Unternehmens.

Lukratives Business

Doch nicht alle Männer, die Wangen und Kinn aufforsten wollen, sind mit einem dichten Bartwuchs gesegnet. Wer dennoch auf den Gegentrend zum androgyn-glatten Look aufspringen will, unterzieht sich neuerdings einer Gesichtshaartransplantation. So verdienen New Yorker Ärzte, die bisher Glatzen ein neues Haarkleid verpasst haben, zunehmend ihr Geld auch damit, Haarwurzeln vom Hinterkopf an Wangen und Kinnpartien umzutopfen.

Jeffrey Epstein, der eine Praxis in Manhattan betreibt, ist einer von ihnen. Seine Hauptkundschaft waren bisher ältere Herren, die dem fortschreitenden Rückzug ihres Haupthaares den Kampf ansagten. Neuerdings konstatiert der Schönheitschirurg aber verstärkten Zulauf von 26- bis 40-jährigen Männern, die etwas weiter unten Stoppeln zum Sprießen bringen wollen.

Zwischen 6000 und 8000 Dollar (umgerechnet etwa 4400 bis 5800 Euro) kostet der neue Traum vom Vollbart, den nicht selten jene träumen, die sich ein paar Jahre zuvor unter dem metrosexuellen Modediktat das Restfell aus dem Gesicht lasern ließen. Die Kunden der New Yorker Schönheitschirurgen stammen allerdings nicht nur aus den USA. Selbst aus Großbritannien und Australien fliegt die neue Klientel ein, berichtet Jeffrey Epstein. Es scheint so, als würden die Zeiten endlich wieder rauer werden. (Günther Brandstetter, Rondo, DER STANDARD, 4.4.2014)