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Die italienische Polizei beschlagnahmte dieses gepanzerte Fahrzeug.

Foto: EPA/VENEZIA FILIPPO

Rom - Die Justizbehörden der norditalienischen Stadt Brescia haben 24 Haftbefehle gegen mutmaßliche Separatisten der Region Veneto erlassen. Den Verdächtigen werden Terrorismus, Umsturzversuche sowie Herstellung und Besitz von Kriegswaffen vorgeworfen, berichteten italienische Medien am Mittwoch. Gegen 27 weitere Personen wird ebenfalls ermittelt, 33 Wohnungen in mehreren Städten wurden durchsucht.

Versteckte Kamera: die Ermittler filmten die Separatisten bei Schweißarbeiten

Die Verdächtigen bauten unter anderem ein gepanzertes Fahrzeug auf dem Fahrgestell einer Landmaschine, der einer Aktion auf dem Markusplatz in Venedig hätte dienen sollen. Der mit einem Zwölf-Millimeter-Geschutz bewaffnete "Panzer" wurde beschlagnahmt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt schon seit längerer Zeit gegen eine separatistische Gruppe, die laut den Ermittlern gewalttätige Aktionen für die Unabhängigkeit des Veneto und anderer Regionen vom italienischen Staat plante.

Die Rechtspartei Lega Nord rief am Donnerstag ihre Anhänger zu einer Solidaritätsdemonstration für die Verhafteten am kommenden Sonntag in Verona auf.

Unpopuläre Separatisten

Eine Bedrohung für den italienischen Staat sieht der Innsbrucker Politologe Günther Pallaver allerdings nicht: "Aktuellen Umfragen zufolge wollen lediglich 28 Prozent der Wahlberechtigten eine vollständige Unabhängigkeit des Veneto, etwa 20 Prozent würden sich mit einer Autonomie zufriedengeben", sagt Pallaver, "diese Forderungen, die man übrigens in ganz Italien beobachten kann, sind vor allem auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen."

Interne Konflikte

Ermittlungen in diesem Zusammenhang laufen auch gegen Felice Pani von der sardischen Unabhängigkeitsbewegung "Disubbudientzia". Pallaver merkt an, dass Kooperationen zwischen den Separatisten verschiedener Landesteile in der Vergangenheit äußerst selten funktioniert haben und verweist auf die kaum vorhandene Unterstützung in der Bevölkerung: "Die älteste ethnoregionale Partei Sardiniens, der 'Partito Sardo d'Azione', liegt dort auf der Insel bei fünf Prozent, auch die Lega Nord erreicht derzeit lediglich etwa vier Prozent. Innerhalb dieser Bewegungen gibt es ständig interne Konflikte, weswegen sie sich oft aufspalten. Diese Gruppierungen sind eher als Sekten denn als klassische politische Bewegungen einzustufen."

Ex-Staatssekretär verhaftet

Bei der Razzia wurde auch der frühere Abgeordnete Franco Rocchetta festgenommen. Rocchetta hatte in den 1980er-Jahren die Liga Veneta gegründet, die später in der Lega Nord aufging. Im ersten Kabinett Silvio Berlusconis diente er 1994 einige Monate lang als Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten.

Seine Festnahme löste empörte Reaktionen in der oppositionellen Lega Nord aus. "Rocchetta ist ein venezianischer Patriot. Wenn der Zentralstaat die sezessionistischen Bestrebungen im Veneto mit Festnahmen bekämpfen will, begeht er einen großen Fehler", protestierte der Europaabgeordnete der Lega Nord, Mario Borghezio.

Rochettas Biographie sieht Pallaver als Musterbeispiel: "Er war früher bei der neofaschistischen MSI, gründete dann  die Lega Veneto, wechselte zur Lega Nord, die er aber bald wieder verließ, und taucht jetzt bei der separatistischen Gruppierung 'I Serenissmimi' auf, die schon 1997 mit einem Eigenbau-Panzer auf dem Markusplatz für Aufsehen sorgte."

Venedig, Markusplatz, 9. Mai 1997: Spezialeinheiten der Polizei nehmen Mitglieder der separatistischen "Serenissimi" fest.

Acht venezianische Separatisten stürmten damals den Glockenturm des Markusdoms in Venedig und hissten die Fahne der 1797 aufgelösten "Republik von Venetien". Sie mussten wegen Personenentführung, Umsturzversuches, illegalen Waffenbesitzes, Schiffsentführung und Sachbeschädigung vor Gericht. Drei von ihnen wurden zu Haftstrafen bis zu drei Jahren verurteilt.

Umstrittene Online-Umfrage

Rocchetta zählte zuletzt den Initiatoren des unverbindlichen Online-Referendums über die Unabhängigkeit der norditalienischen Region, das vor zwei Wochen ein klares Ja zur Abspaltung ergeben hatte. Auf die Frage "Willst du, dass die Region Veneto eine unabhängige und souveräne Bundesrepublik wird?" stimmten 89 Prozent der Beteiligten mit Ja. Laut den Organisatoren beteiligten sich 2,36 Millionen Bürger an der Befragung, was 73 Prozent der Wählerschaft in der Region entspricht.

Medien: Großteil der Stimmen nicht aus Italien

Die Zeitung "Corriere del Veneto" berichtete allerdings, dass sich der Großteil der Teilnehmer an der umstrittenen Abstimmung im Ausland befunden habe. So sei jede zehnte Stimme aus Chiles Hauptstadt Santiago gekommen, auch IP-Adressen aus Deutschland, Spanien und Serbien seien überdurchschnittlich oft vertreten gewesen. (bed, derStandard.at 2.4.2014)