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Der russische Pianist Daniil Trifonov begeistert durch Intensität und Virtuosität.

Foto: AP/Alexander Zemlianichenko

Wien - Er glüht, er brennt. Jeder Ton ist durchdrungen, befeuert von einer existenziellen Dringlichkeit, einem heiligen Ernst. Er liebt die Musik, die er spielt, heftig; alles ist bei ihm intensiv, auch die sanfteste Sanftheit. Seine Darstellungen von Emotionalität scheinen unendlich persönlich und umfassen einen Kosmos von lichtester Sanftheit bis zu diabolischer Härte: Ondine und Scarbo, "Zartheit und auch das dämonische Element", wie sein Vorbild und Fan Martha Argerich es formulierte.

Daniil Trifonov wurde 1991 in Nischni Nowgorod geboren, in Moskau von Tatjana Zelikman und in Cleveland von Sergej Babayan ausgebildet, hat vordere Plätze bei den großen Wettbewerben in Warschau, Moskau und Tel Aviv erreicht. Die Kritiken seiner Debüts an den großen Häusern waren Ergriffenheit und Verehrung: Eines der "unbegreiflichsten Klaviertalente der letzten Jahrzehnte" nannte ihn die Süddeutsche Zeitung, Norman Lebrecht konstatierte so schlicht wie wahr: "ein Pianist für den Rest unseres Lebens".

Genau diesen Gedanken hat man auch bei Trifonovs Debüt im Konzerthaus: Er soll doch bitte die nächsten 50 Jahre bei Gesundheit bleiben und weiterspielen. Trifonovs abrupte Dynamikwechsel in Strawinskis Serenade in A, das Nebeneinander von Härte und Weichheit erinnern an Caravaggios radikale Hell-Dunkel-Dramaturgie. Aber auch dessen sinnliche Durchdringung und Präsenz des Dargestellten kann man in der Kunst des 23-Jährigen erleben: Jedes musikalische Motiv wird zur plastisch geformten Figur.

Unendlich auch die gestalterische Spannweite in ausgewählten Stücken aus Debussys Images und Ravels Miroirs. Aus samtweichen, hauchzarten Klangwolken zucken grelle Blitze. Vom sanften Kräuseln der Wellen bis zu den heftigsten Brechern der Emotionalität: alles da in Une barque sur l' océan. Unendlich fein die Einleitung von Clara Schumanns Souvenir de Vienne.

Die Symphonischen Etüden ihres Gatten Robert Schumann dann der Höhepunkt des Abends: Jede Variation ein eigenes Meisterwerk. Reich, radikal, groß. Hat man als Normalmenschlicher derart intensive Gefühle? Nein. Aber man hätte sie gern und kann dank Daniil Trifonov an ihnen teilhaben. Vier Zugaben, stehender Beifall. Und eine Ahnung, was Kunst können kann: alles und mehr. (Stefan Ender, DER STANDARD, 3.4.2014)