Neues Risiko: Georgiens EU-Minister Aleksi Petriaschwili.

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Die Georgier haben diesen Film schon gesehen. "Wir haben das 2008 durchgemacht. Leider waren damals die Signale von der EU und den USA an Russland nicht so stark wie heute", sagt Aleksi Petriaschwili, der georgische Europaminister.

Binnen zwei Tagen stand die russische Armee damals, im August 2008, kurz vor Tiflis. An den Friedensplan des damaligen EU-Ratspräsidenten und französischen Staatschefs Nicolas Sarkozy hat sich Russland nie gehalten. Die Armee blieb bis heute in Südossetien und Abchasien, in zwei georgischen Gebieten, und ließ sie eine Unabhängigkeitserklärung abgeben. Nicaragua und drei Südseeinseln erkennen die Separatisten an, und natürlich Russland, die Vormacht.

"Russland denkt jetzt zweimal nach

Nach der Annektierung der Krim ist es etwas anders. Russland sei jetzt isolierter als damals, sagt Petriaschwili. Er glaubt, die Sanktionen des Westens könnten eine Wirkung auf das Wirtschafts- und das politische Establishment in Moskau haben. "Die russische Führung denkt vielleicht zweimal nach, bevor sie einen weiteren aggressiven Schritt tut", sagt der georgische Minister dem STANDARD. "Dieses Risiko gibt es."

Die Krim-Krise hat die Länder der sogenannten Ostpartnerschaft der EU alarmiert: Georgien, Moldau, die Ukraine natürlich; Armenien hat sich zuvor schon dem russischen Druck gebeugt.

Assoziationsabkommen nicht mehr genug

Schon reichen die neuen Assoziationsabkommen mit der EU - von Brüssel mit wenig Vorausblick verhandelt - nicht mehr. "Wenn die EU nicht ein klares Signal für eine Mitgliedschaft gibt, könnten wir eine Krise wie in der Ukraine erleben", warnte Georgiens Regierungschef Irakli Garibaschwili dieser Tage bei einer Konferenz in Tiflis.

Eine Perspektive für eine spätere EU-Mitgliedschaft, so die Überlegung, würde die Gesellschaft zusammenstehen lassen. Russland hätte weniger Möglichkeiten, mit wirtschaftlichem und politischem Druck ein Land zu spalten. Ein Wort aus Brüssel hätte der Ukraine vielleicht den blutigen Umsturz und den Verlust der Krim erspart. Mittlerweile hat die neue Führung in Kiew eine solche Zusicherung einer EU-Perspektive erhalten. "Besser spät als nie", meint Aleksi Petriaschwili.

Ein Zeichen an Moskau

Georgien wird nun bereits im Juni statt wie bisher geplant im August das Assoziationsabkommen mit der EU unterschreiben; auch das soll ein Zeichen an Moskau sein. Teil des Abkommens ist ein Regelwerk über eine Freihandelszone und Zollunion mit der EU. Für Staaten wie die Ukraine und Armenien, die enge Handelsbeziehungen mit Russland haben, ist das problematisch.

Die Diplomaten der Europäischen Union hatten mehr getan, als eine rote Linie zu überfahren, so hieß es in Tiflis. Für die Russen war es, als ob die Brüsseler Truppe auf der Autobahn plötzlich wendete und mit Vollgas in die Gegenrichtung fuhr. Wsewolod Tschentsow, der Direktor der EU-Abteilung im ukrainischen Außenministerium, formulierte es höflicher: "Die Instrumente der EU waren völlig irrelevant angesichts der wirklichen Interessen der russischen Führung." (Markus Bernath aus Tiflis, DER STANDARD, 3.4.2014)