Wien - Die Universität Wien hat ab sofort Zugang zu 50.000 Interviews mit Zeitzeugen der Shoah. Die rund 90.000 Studierenden und 7.000 Lehrenden der größten Universität des Landes können damit für Forschungszwecke über ein virtuelles Netzwerk auf 120.000 Aufnahmestunden aus dem Visual History Archive (VHA), der Zeitzeugen-Videodatenbank der "University of Southern California Shoah Foundation", zugreifen.

Die Videoaufnahmen sollen als Quellensammlung für die Wissenschaft verwendet werden und sind dabei laut Uni-Vizerektorin Susanne Weigelin-Schwiedrzik nicht nur für die zeithistorische Forschung von Interesse. Immerhin werde die Methode der Oral History neben der Zeitgeschichte u.a. auch in Kultur- und Sozialanthropologie, Theater-, Film- und Medienwissenschaften und Soziologie genutzt, erklärte sie in einer Aussendung der Uni.

Zeitgeschichte-Institutsleiterin Johanna Gehmacher betonte die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten: Das VHA ermögliche die Behandlung vieler Fragen an das Quellenmaterial, zu schriftlichen und audiovisuellen Erinnerungsformen und zu Potenzialen und Problemen von Oral History. Für Bibliotheksleiterin Maria Seissl wird mit dem VHA auch ein "Beitrag gegen das Vergessen" geleistet, es diene neben der wissenschaftlichen Aufarbeitung auch der Erinnerungsarbeit.

Ein Großteil der Zeitzeugen sind Überlebende des Holocaust. Neben verfolgten Gruppen (Juden, Homosexuelle, Roma und Sinti, Zeugen Jehovas, politisch Verfolgte) sprechen in den Interviews aber auch Retter, Befreier und Zeitzeugen, die in die Kriegsverbrecherprozesse involviert waren. Das VHA ist 1994 auf Initiative von Regisseur Steven Spielberg entstanden, nachdem während der Dreharbeiten zum Film "Schindlers Liste" im polnischen Krakau zahlreiche Holocaust-Überlebende den Wunsch äußerten, vor der Kamera über ihre Erlebnisse zu berichten. Das VHA soll diese Erinnerungen als Unterrichts- und Ausbildungsmaterial aufbewahren und zugänglich machen. (APA/red, derStandard.at, 3.4.2014)