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Ötzi-Nachbildung im Museum.

Foto: APA/dpa/Uwe Anspach

Wie lebten die alten Römer, wie starb Ötzi wirklich, was bekam eine Handwerksfamilie im Frühmittelalter mittags auf den Tisch? Wir wissen es. Das Fernsehen ist sogar dabei gewesen. Das könnte man zumindest annehmen angesichts der vielen fiktionalen Dokumentationen, die das Medium in den letzten Jahren produziert hat.

Schauspieler und Laien sonder Zahl schlüpfen seither in Neandertaler-Wämser oder Legionärsschnürsandalen und stellen die Geschichte nach, wie sie im Drehbuch geschrieben steht. Gern spitzt man zur Beglaubigung historischer Momente die Szenen zu: Reißt mit gut überkronten Zähnen rohes Fleisch von den Knochen oder pirscht auf frisch verschmutzten Zehen durch den Wald.

Kein geringer Aufwand wird betrieben, um eine historische Realität zu fingieren; der Soundtrack tut das Übrige.

Vor allem für die Populärwissenschaft hat sich mit der Erfindung des Edutainment ein neues Feld erschlossen -  und damit wurde zweifellos auch ein größeres Interesse an Geschichte entfacht, von den Dinosauriern aufwärts. Das kann man einerseits nur erfreut zur Kenntnis nehmen. Fernsehen zeigt auf unterhaltsame Weise, wie es wirklich war.

Doch wie war es andererseits wirklich? Und was wird dem Pu­blikum eigentlich erzählt? Die Dokufiction macht es sich leider oft zu einfach: Eine so­nore, vertrauenerweckende Erzählstimme berichtet meist gottähnlich aus der Tiefe der Geschichte und kommentiert von einem vorgeblich neutralen Posten die "nachgestellten" Szenen. Eins passt da zum anderen, schnell ist ein Sachverhalt schlüssig entwickelt. Widersprüche, Leerstellen haben in dieser Form der Narration keinen Platz. Doch es gibt sie zuhauf. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 4.4.2014)