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Husten und würgen, zögern und zaudern, regieren und reagieren: Michael Spindelegger und Werner Faymann im Parlament.

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Nikolaus Kowall

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Im Jahr 2008 ließ die US-Regierung die Investmentbank Lehman Brothers pleitegehen, beim größten Versicherer des Landes AIG hat sie sich dann aber für eine staatliche Rettung entschieden. Hätten USA und EU alle strauchelnden Finanz- und Versicherungsinstitute in den Konkurs geschickt, hätten die Ansteckungseffekte zu einem Kollaps des gesamten Finanzsystems und in Folge zu einer Insolvenz aller westlichen Staaten geführt. Ein erheblicher Teil des globalen Finanzvermögens hätte sich in Luft aufgelöst, genauso wie die Schulden, die diesen Vermögen 1:1 gegenüberstehen.

Die Finanzvermögen sind in den letzten Jahrzehnten um ein Vielfaches des globalen BIPs gestiegen, eine Korrektur dieses Trends wäre ohnedies überfällig gewesen. Hätte man sich für den Kollaps entschieden, wäre das Gros der öffentlichen Schuld mit den Staatsinsolvenzen abgeschrieben worden. Allerdings wäre der Unternehmenssektor finanziell ausgetrocknet und der globale Handel wegen fundamentaler Unsicherheit zusammengebrochen. Die Realwirtschaft wäre drastisch in Mitleidenschaft gezogen worden, was sich in Massenarbeitslosigkeit und Massenelend ausgewirkt hätte. Die soziale Misere hätte antidemokratischen Kräften Aufwind verliehen, und autoritäre Tendenzen wären so in Mode, wie der Marktliberalismus out wäre.

Kein Paradigmenwechsel

Das wollten Sozial-, Christ- und Freidemokraten 2008 verhindern und haben mit der Bankrettung auch gleich die politische Vorherrschaft der Finanzbranche und deren Ideologie, den Marktliberalismus, gerettet. Damals dachten viele, die Finanzkrise würde einen politischen Paradigmenwechsel einleiten. Dass jedoch die Marktliberalen in den Folgejahren für die aus Bankenrettung und Rezession erwachsenen Staatsschulden den Staat verantwortlich machen konnten und das Gros der Opinion-Leader dieser an Amnesie grenzenden Weltsicht folgen würde, war 2008 schwer vorstellbar.

So hat die politische Mitte wegen der sozialen Folgen eines Kollapses Finanzvermögende gerettet, dadurch aber deren Macht prolongiert. So absurd es klingt, aber bis zu diesem Punkt war das Vorgehen richtig, weil die Alternative - ein Totalzusammenbruch - noch schlechter gewesen wäre. Den logischen nächsten Schritt haben die gemäßigten Kräfte, allen voran die europäische Sozialdemokratie, fahrlässig verpasst. Man hätte das fiktive Vermögen wieder auf ein vernünftiges Maß zurückführen müssen - nicht über einen verheerenden Crash, sondern in geordneter Form über eine steuerliche Beteiligung des Finanzsektors. Die deutschen Grünen hatten eine auf zehn Jahre begrenzte Abgabe auf Vermögen von mehr als einer Million Euro mit einem Aufkommen von 100 Milliarden vorgeschlagen. Umgelegt auf Österreich würde diese gemäßigte Maßnahme bis 2024 zehn Milliarden Euro bringen.

Hier kommt die Hypo Alpe Adria ins Spiel, deren Kosten mit zehn Mrd. Euro locker egalisiert würden. Die Regierung sah 2009 in der Ansteckungsgefahr einer Hypo-Pleite das größere Problem als die Übernahme der Schulden zur Rettung der Finanzvermögenden. Aus damaliger Sicht war diese Einschätzung plausibel. Rückblickend erscheint die Verstaatlichung vielen als dunkle Machenschaft im Dunstkreis der Staatseliten und einer mafiösen Bank. Ein U-Ausschuss, so die Hoffnung, würde Licht ins Dunkel bringen.

Die wichtigsten Antworten liegen aber schon auf dem Tisch: Der Hauptverursacher des Desasters liegt seit 2008 unter der Erde, und eine Ex-Finanzministerin hat Entscheidungen jahrelang verschleppt. Offene Detailfragen sind, weshalb etwa die Aufsichtsbehörden in den Jahren, als sich die Hypo-Bilanz rasant aufblähte, nicht eingegriffen haben. Der News Value des U-Ausschusses wird sich insgesamt in Grenzen halten, aber es steht der Regierungsmehrheit vorab nicht zu, das zu beurteilen.

Die SPÖ ist der Opposition im Wort, dass U-Ausschüsse längst Minderheitenrecht sein müssten. In diesem Fall hätten wir gar keine Diskussion darum, die aus SP-Sicht inzwischen mehr Schaden angerichtet hat, als ein realer Ausschuss hätte anrichten können. In der SPÖ fragen sich immer mehr Leute, wie es möglich ist, dass sich die Parteiführung die Rechnung für einen von der FPÖ Kärnten verursachten Skandal umhängen lässt. Die Opposition muss sich fragen, ob sie nicht mit dem Eifer, mit dem sie für den U-Ausschuss kämpft, für eine Beteiligung der Finanzvermögen eintreten sollte.

SPÖ mit Verspätung

Kurz nach der Hypo-Verstaatlichung hat die SPÖ-Führung 2010 mit Verspätung begriffen, dass die Besteuerung von Vermögen die Antwort auf die Finanzkrise ist und mit einem Kurswechsel Richtung Umverteilung Oberwasser gewonnen. Im Wahlkampf 2013 waren die Vermögenssteuern ein zentrales Thema, in den Koalitionsverhandlungen hat die ÖVP sie jedoch herausverhandelt. Sie möchte, dass die durch Bankenrettung und Rezession verursachten Schulden nicht von den Geretteten, sondern von der breiten Masse bezahlt werden. Dieser Skandal hätte der SPÖ eigentlich die Chance eröffnet, die ÖVP vor sich herzutreiben. Eigentlich. Sie hat es nicht getan, und jetzt scheint es ihr auf den Kopf zu fallen. Will die SPÖ-Führung das Jahr 2014 politisch überleben, sollte sie dringend die letzte Chance ergreifen und eine Vermögensabgabe zur Finanzierung der Hypo-Schulden ins Zentrum einer Kampagne rücken. Die simple Zuspitzung "Vermögensabgabe oder Hypo-Insolvenz" wäre ein Befreiungsschlag, der die ÖVP zu Recht unter Druck setzen würde und die Diskussion auf die wichtigste aller Fragen lenken würde: Wer bezahlt für die Krise?  (Nikolaus Kowall, DER STANDARD, 4.4.2014)