Bild nicht mehr verfügbar.

Brasil 2014, Paninis 13. WM-Album, ist im Handel.

Foto: REUTERS/Paulo Whitaker

Wer schon einmal mit fünf Mesut Özils, sieben Cristiano Ronaldos und neun Mannschaftsbildern von Honduras geschlagen war, dazu mit Stößen von Doppelten und einem zerfledderten Heft, halbvoll mit mehr schlecht als recht eingeklebten Bildern von Fußballern, der kennt den schmalen Grat zwischen Leidenschaft und Verzweiflung. Auf dem kann jetzt wieder anlässlich der bevorstehenden Fußball-WM in Brasilien balanciert werden.

Die Leidenschaft entfacht haben nicht erst die Brüder Panini, die in der Altstadt von Modena einen Zeitungsstand und später einen kleinen Verlag betrieben, der sich nach Herausgabe eines Albums mit einzuklebenden Spielerporträts aus der italienischen Meisterschaft ab 1961 zu einem Konzern entwickelte, der heute in 110 Staaten Niederlassungen hat und rund 700 Millionen Euro umsetzt. Nicht nur mit Sammelbildern, sondern auch mit Comics, Büchern, Kalendern und Spielfiguren.

Sammelbilder, thematisch weit gestreut und zu Werbe-, aber auch Propagandazwecken allen möglichen Dingen des täglichen Bedarfs beigelegt - von Kaffee über Fertigsuppen und Zigaretten bis hin zu Waschpulver und Schuhpasta -, gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert. Die Brüder Panini, erst Giuseppe und Benito, dann auch Umberto und Francesco Cosimo, der bis zu seinem Tod 2007 den Betrieb führte, waren unter den Ersten, die aus dem Sammeln einen Selbstzweck machten und damit Instinkte bedienten. Und herausforderten. Noch heute werden die Bilder, die in den Packerln landen, von einer Fifimatic genannten Maschine gemischt, deren Zufallsprinzip Francesco Cosimo erfunden hat.

Dem Streben nach einem vollen Album wohnt daher eine gewisse Unvernunft inne. Gut 100 Euro sind trotz intensiven Tauschens in Komplettheit zu investieren - inklusive Nachkauf bei Panini. Eine Summe, die heute für Sammelwerke der Firma aus den späten 1970er-Jahren bezahlt wird. Nur vollständige Alben der Frühzeit sind Raritäten.

Dass das Tauschen zwangsläufig mit Austausch einhergeht, wird als positiver Effekt der Sammelwut interpretiert. Vor und während Welt- und Europameisterschaften sprießen Börsen, getauscht wird aber nicht nur auf Schulhöfen und in Büros, sondern längst auch online. Dabei setzt Panini auf Nostalgie. Den kindlichen Sammlern verkaufe man Träume, den erwachsenen Erinnerungen, heißt es. Und seien es Erinnerungen an unerfüllte Träume. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 5.4.2014)