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Die Beschuldigten im Wiener Neustädter Schlepperprozess wollen nur Freunden geholfen haben.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Wiener Neustadt / Wien - Im Wiener Neustädter Schlepperprozess gegen acht überwiegend aus dem Umkreis der Asylwerber-Proteste stammende Flüchtlinge ist vorerst bis 6. Mai Pause. Nach der überraschenden Enthaftung aller Beschuldigten prüfen Justizministerium und Oberstaatsanwaltschaft die Causa.

Die Frage dabei ist, ob die Fakten, die gegen die acht Männer zusammengetragen wurden, für die Anklage wegen gewerbsmäßiger Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung mit einer Strafandrohung von bis zu zehn Jahren laut Paragraf 114 Fremdenpolizeigesetz (FPG) tatsächlich ausreichen.

Feunden geholfen

Die Beschuldigten selbst hatten zu Prozessbeginn vor Richterin Petra Harbich allesamt beteuert, sie hätten lediglich Freunden oder Freunden von Freunden geholfen, ohne Papiere in die EU sowie nach oder durch Österreich zu reisen. Sollte dies zutreffen, oder auch in dem Fall, dass die massiven Vorwürfe "nicht konkret genug belegt sind", sei eine Verurteilung unverhältnismäßig, meint die Linzer Strafrechtsexpertin Petra Velten. Dann sei davon auszugehen, "dass bei den Ermittlungen schlampig gearbeitet worden ist".

Darüber hinaus, so Velten, bringe der Wiener Neustädter Schlepperprozess jedoch ein Problem zutage, das in der Srafbestimmung selbst angelegt sei: "Paragraf 114 FPG erfasst organisierte kriminelle Schlepperei ebenso wie Hilfeleistungen aus Freundschaft oder aus anderen humanitären, sozialethischen Gründen".

Persönliche Loyalitäten

Das jedoch sollte nicht so sein, meint Velten: "Auf Loyalitäten, wie sie zwischen Freunden und Verwandten existieren, sollte gerade bei der Fluchthilfe oder Schlepperei Rücksicht genommen werden". So, wie es in anderen strafrechtlichen oder prozessualen Bereichen, etwa beim Zeugnisverweigerungsrecht, der Fall sei.

Zudem eröffneten internationale Abkommen zur Bekämpfung der Schlepperei auf UN- und EU-Ebene den Staaten derlei Differenzierungsmöglichkeit. Die Schweiz etwa mache davon Gebrauch, Deutschland hingegen nicht.

Der österreichische Gesetzgeber ebenso wenig: Laut Paragraf 114 FPG, Absatz 1 spielt die Frage der Motive für die Schlepperei - und wer genau transportiert wurde - keine Rolle. Strafbestimmend und mit bis zu zwei Jahren Haft bedroht ist allein der Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein erhaltenes Entgelt "unrechtmäßig zu bereichern" - wobei laut Strafverteidigern vielfach auch die geringste Gegenleistung so gewertet werde.

Verschärfung

Seit einer Gesetzesverschärfung im Jahr 2000 wiederum sieht Paragraf 114 FPG höhere Strafen für Schlepper vor, die "Fremde" während des Transports "in einen qualvollen Zustand versetzt" haben; konkret sind es bis zu fünf Jahre Haft. Bis zu zehn Jahre Haft riskiert, wer als Schlepper "das Leben eines Fremden gefährdet".

Doch ebenso hoch kann laut Paragraf 144 FPG bestraft werden, wem vorgeworfen wird, ganz ohne Menschenrechtsverstoß "gewerbsmäßig" eine "größere Zahl von Personen" geschleppt zu haben: So wie es die Staatsanwaltschaft im Fall der acht in Wiener Neustadt Angeklagten annimmt. "Hier ist diese Strafbestimung überschießend", sagt Strafrechtsexpertin Velten. (Irene Brickner, DER STANDARD, 7.4.2014)