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Viktor Orbán feiert einen Wahlsieg, dessen Bedeutung laut seinen Worten noch gar nicht ermessen werden könne. Die große Unterstützung seiner Partei sei ein "Europa-Rekord", der zeige, dass Ungarn die am meisten geeinte Nation sei.

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Die rechtsextreme Jobbik unter Parteichef Gábor Vona erhielt über 20 Prozent.

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Grafik: DER STANDARD

Der Wahlsieg des Populisten Viktor Orbán stand am Sonntag nie infrage. Das vorläufige Endergebnis, das am frühen Montagmorgen vorlag, bestätigte dies (siehe Grafik). Auf der Wahlparty seines Fidesz sprach Orbán von einem "großartigen Sieg, dessen Bedeutung wir heute noch gar nicht ermessen können". Das Aktivisten-Volk jubelte, die Stimmung im kürzlich eingeweihten, schick-modernen Kultur- und Galerienzentrum CET am Pester Donauufer war hervorragend. Was man allerdings dort nicht ermessen wollte: Gegenüber 2010 hat Fidesz rund 600.000 Stimmen, das heißt fast ein Viertel seiner Wähler, verloren.

Das Mitte-links-Bündnis der "Regierungswechsler", angeführt von der Sozialistischen Partei (MSZP), sowie die rechtsextreme Jobbik (Die Besseren) gewannen hingegen jeweils hinzu. In der Zusammensetzung des nunmehr verkleinerten Parlaments kommt das nicht zum Ausdruck. Dass Orbán bei diesem Ergebnis überhaupt an die Schwelle der erneuten Zweidrittelmehrheit kam, bewirkte das neue Wahlgesetz, das der Regierungschef noch mit der alten Zweidrittelmehrheit durchs Parlament peitschte und das auf die Bedürfnisse des Fidesz zugeschnitten wurde (siehe Wissen).

Wahlkarten entscheidend

Ob es aber erneut für eine Zweidrittelmehrheit reicht, war am Montag noch ungewiss. 133 Mandate würde die Orbán-Partei dazu brauchen. Auf 133 Mandaten stand sie am Montag - mit einem wesentlichen Vorbehalt: Eines davon hatte sich der Fidesz-Kandidat im Budapester Wahlkreis Nr. 15 mit einem hauchdünnen Vorsprung von nur 22 Stimmen gegenüber der Mitbewerberin von den "Regierungswechslern" gesichert. Die Auszählung der Wahlkarten könnte den Stand umkehren. Dann wäre die Zweidrittelmehrheit für Fidesz weg. Eine der Neuerungen dieses Urnengangs war, dass ethnische Ungarn aus den Nachbarländern, wählen durften. Aufgrund eines neuen Gesetzes hatten sie die ungarische Staatsbürgerschaft angenommen, ohne in Ungarn zu wohnen. Von 500.000 derartigen "Neu-Bürgern" meldeten sich zwar nur 200.000 für die Wahl an, und nur 90.000 gaben tatsächlich ihre Stimme ab. Doch 95 Prozent von ihnen wählten den Fidesz. Möglicherweise hat das ein Mandat gebracht.

Wahlkreise für Fidesz

Die wegen verkleinerten Parlaments nötigen Neuzuschneidungen der Einzelwahlkreise wurden so vorgenommen, dass am ehesten Fidesz davon profitierte. So wurde die Bergbaustadt Ajka, eine traditionell linke Hochburg, auf zwei umliegende ländliche Wahlkreise aufgeteilt, sodass sich darin die linke Mehrheit auflöste. Auch dieses Mandat könnte entscheidend gewesen sein. Weitere Beispiele ließen sich sonder Zahl aufzählen.

MSZP-Chef Attila Mesterházy wollte deshalb dem Wahlsieger gar nicht erst gratulieren. "Das Ergebnis nehme ich zur Kenntnis, aber unter derart ungleichen Bedingungen kann man nicht gratulieren", erklärte er in der Wahlnacht. Ungarn sei heute kein freies Land mehr, Orban habe es vom Weg der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abgebracht. Dabei machte das Mitte-links-Bündnis auch aus eigenem Verschulden kein gutes Bild. Viel zu lange hatte es gedauert, bis sich seine Akteure zusammenrauften und eine gemeinsame Liste zustande brachten. Für eine solide Programmatik fehlte dann die Zeit. Auch wenn Orbán kein Programm vorlegte und sich weigerte, sich seinem Herausforderer Mesterházy in einem Fernsehduell zu stellen. Ex-Premier Gordon Bajnai, dem weniger MSZP-Stallgeruch anhaftet, der aber den Spitzenplatz auf der gemeinsamen Liste der "Regierungswechsler" Mesterházy überlassen musste, ließ wenigstens in der Wahlnacht Selbstkritik anklingen: "Wir waren nicht in der Lage, der Mehrheit der Ungarn ein genügend attraktives Angebot zu unterbreiten." Ob mit oder ohne Zweidrittelmehrheit: Ungarn bleibt weitere vier Jahre in Orbáns eisernem Griff, die bleierne Zeit bleibt. Bis ins kleinste Dorf beeinflussen Netzwerke von Fidesz-Lokalpolitikern und von ihnen abhängige Unternehmer die Existenzmöglichkeiten und den Alltag der Menschen. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 8.4.2014)