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André E. beim Betreten des Gerichtssaals.

Foto: EPA/PETER KNEFFEL

München - Ihre Einschätzung klingt hart: "Er war wie viele seiner Freude im rechten Spektrum. Finden Sie mal jemanden im Erzgebirge, der das nicht ist". Die heute 32-jährige Antje S. beschreibt Richter Manfred Götzl ihren damaligen Freund. André E. ist heute Angeklagter im NSU-Prozess in München. Ihm wirft die Bundesanwaltschaft unter anderem Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Damals jedoch lebte er im sächsischen Erzgebirge in Johanngeorgenstadt.

Beide hatten sich im Spätsommer 1997 in der Gegend auf einer Kirmesfeier oder einem "Hexenfeuer", wie es die Zeugin nannte, kennengelernt. Anja S. war gerade 15 Jahre alt. André E. knapp 18. "Es wurde viel geschimpft, alles negativ gesehen. Es gab viel Ausländerfeindlichkeit. Viel wurde in der Vergangenheit rumgekramt, erzählt, was damals besser war und toller", beschreibt sie die Situation in der Gegend.

"Du kannst deine Koffer packen"

Die seit knapp neun Jahren in England lebende Zeugin beschreibt die Normalität, wie sie von ihr als 15-Jährige im Erzgebirge empfunden wurde. "Epidemisch" fällt ihr als Begriff für das Ausmaß der Fremdenfeindlichkeit ein. Das habe auch ihren Stiefvater betroffen, den die Zeugin als "extrem rechts" charakterisiert.

Wie das zu verstehen sei, will Richter Götzl wissen. "Hätte ich einen Ausländer mit nach Hause gebracht, dann hätte er gesagt, du kannst deine Koffer packen." Die 32-Jährige überlegt einen Augenblick und bemerkt mehr für sich: "Ich kann meinen Stiefvater doch nicht anschwärzen." Aber sie bleibt bei ihrer Aussage. Ihr Stiefvater sei anfangs auch gegen ihre Freundschaft mit André E. gewesen.

Skindheads schaden der "Sache"

Er hätte auch etwas gegen Skinheads gehabt. Die würden mit ihrem Auftreten und Aussehen offenbar der "Sache" schaden. Was sie mit dem André wolle, der sei doch viel kleiner als sie, soll der Stiefvater mehrfach bemerkt haben. Als 15-Jährige hätte sie dann weiter an der Beziehung zu ihm festgehalten.

Als lieb beschreibt die Zeugin ihren damaligen Freund. Sie spricht noch heute nur von "André." Er hätte alles für sie gemacht. Wieso die Beziehung auseinandergegangen sei, will der Richter wissen. Sie habe 1998 eine Lehre als Hotelfachfrau begonnen und auch ein neues Umfeld kennengelernt. Mit denen sei sie auch mal in die Disco gegangen, hätte Spaß gehabt. Das sei mit André nicht möglich gewesen. Mit ihm eine Familie zu haben, hätte sie sich genauso wenig vorstellen können, wie Freunde nach dem richtigen Namen auszusuchen oder nach der Hautfarbe.

Zusammentreffen mit Zschäpe

Die Studentin ist eine weitere Zeugin aus der damaligen Neonazi-Szene in Chemnitz. Allerdings war Anja S. mit Abstand die Jüngste all derjenigen, die bisher ausgesagt hatten. Unbefangen versucht sie die Fragen des Gerichts zu beantworten. Macht kein Hehl daraus, dass sie damals auch rechtsextreme Ansichten vertrat, betont aber zugleich, dass sie sich weiter entwickelt habe.

Die damalige Neonazi- und Skinheadszene in Chemnitz kannte sie offenbar nur partiell. Unter der Woche habe sie gearbeitet. Mit André traf sie sich daher zumeist nur an den Wochenenden. Anfangs bot ihnen Mandy S., einer Bekannte von André, in ihrer Wohnung einen Unterschlupf. André soll dort auch mehrfach geschlafen haben, wenn er von Johanngeorgenstadt nach Chemnitz gekommen war.

"Pogromly" statt Monopoly

Mehrfach war die 32-Jährige damals in Chemnitz auch mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zusammengetroffen. Die drei hätten in einer sehr kleinen Wohnung gelebt. Sie benutzt das Wort "mini". Gemeinsam mit André wäre sie einige Male dort zu Besuch gewesen.

Beate Zschäpe habe so ausgesehen wie heute, "nur vor 17 Jahren", halblange Haare, vielleicht blond. Die beiden Männer, die noch mit in der Wohnung gelebt hätten, sollen kurze oder gar keine Haare gehabt haben. Sie habe die drei sofort auf den Fahndungsfotos des Bundeskriminalamtes erkannt, als sie ihre Mutter auf die Ermittlungen um die Weihnachtszeit 2011 aufmerksam gemacht habe.

Auffällig ist, dass auch sie mehrfach vom "Kaffeetrinken" spricht, wenn es um die Besuche beim Trio in der Chemnitzer Wohnung geht. Man habe ferngesehen, es seien Computerspiele gespielt worden. Das dem Monopoly-Spiel nachempfundene antisemitische "Pogromly" habe nie eine Rolle gespielt. Davon habe sie erst aus den Medien erfahren. Dafür sollen sich die Gespräche zwischen den Frauen aus der Szene häufig um "Mädchensachen" gedreht haben oder um Haareschneiden und -färben. (Kai Mudra, derStandard.at, 8.4.2014)