Prag - Der geplante Ausbau des tschechischen Atomkraftwerks Temelin ist vorerst vom Tisch. Der tschechische Energiekonzern CEZ hat die seit 2009 laufende Ausschreibung für den Bau eines dritten und vierten Blocks in dem 60 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernten AKW gestoppt, wie CEZ-Sprecher Ladislav Kriz am Donnerstag mitteilte. Grund dafür sind Zweifel an der Rentabilität des Projektes.
Der Entscheidung über die Einstellung des Tenders sei eine entsprechende Kommunikation mit der Regierung von Premier Bohuslav Sobotka vorgegangen, so der Sprecher. Diese hatte am Mittwoch angesichts des unberechenbaren Stromweltmarktes definitiv einen garantierten Abnahmepreis für Strom aus den zwei geplanten Reaktoren verweigert, wie es der CEZ zuvor gefordert hatte.
Kein Ende des Ausbaus
Seit 2009, als der öffentliche Auftrag ausgeschrieben wurde, habe es im Energiesektor in Europa eine "turbulente Entwicklung" gegeben, erklärte der CEZ-Chef Daniel Benes am Donnerstag. "Während das Projekt ursprünglich angesichts des Strommarktpreises und weiterer Faktoren völlig wirtschaftlich rentabel war, sind heute alle Investitionen in die Stromquellen, deren Erträge vom Verkauf des Stroms auf dem freien Markt abhängig sind, gefährdet", betonte er.
Dies bedeute aber nicht das Ende des Ausbaus atomarer Energiequellen in Tschechien, so Benes. "Die Gefahr, dass wir in 20 Jahren nicht imstande sein werden, den Stromverbrauch unseres Landes zu decken, ist weiterhin akut. Nur müssen wir unsere Pläne den Änderungen anpassen, die nun in Brüssel vorbereitet werden. Es ist offensichtlich, dass man künftig bei der Sicherung der Weiterentwicklung der Atomenergieindustrie eng mit dem Staat kooperieren wird müssen", fügte Benes hinzu.
Alle Bewerber für den 200 Mrd. bis 300 Mrd. Kronen (7,27 Milliarden bis 10,9 Milliarden Euro) schweren Auftrag wurden über die Aufhebung des Auswahlverfahrens bereits informiert, teilte die CEZ mit. Zu den Interessenten zählten der US-japanische Konzern Westinghouse, das tschechisch-russische Konsortium MIR.1200, bestehend aus Skoda JS, Atomstrojexport und Gidropress, sowie die französische Areva, die jedoch von CEZ 2012 aus dem Verfahren ausgeschlossen worden war, weil sie die Bedingungen nicht erfüllt habe.
"Vier sind mehr als zwei"
Der zu zwei Drittel staatliche Energiekonzern CEZ hatte den Bau eines dritten und vierten Reaktors zu den zwei bestehenden 1.000-Megawatt-Reaktoren bereits vor Jahren ausgeschrieben, das Auswahlverfahren des milliardenschweren Auftrags verzögerte sich jedoch wegen der Debatte über die wirtschaftliche Rentabilität immer wieder, obwohl die Umweltverträglichkeitsprüfung dafür positiv ausgefallen war. Bereits im zweiten Halbjahr 2013 hätte das Auswahlverfahren für die Lieferung der Technologie abgeschlossen und ein entsprechender Vertrag unterzeichnet werden sollen. Die damalige Übergangsregierung von Jiri Rusnok verzichtete aber wegen Bedenken über die Rentabilität auf den Termin. Der Betreiber CEZ hatte von der Regierung Preisgarantien für den Strom gefordert.
Nach der Entscheidung am Donnerstag kursierten in Prag bereits Gerüchte, wonach ein neues Auswahlverfahren ausgeschrieben werden sollte. Bei diesem könnten sich die drei bisherigen Unternehmen sowie ein südkoreanischer Investor bewerben, womit der Preis nach unten gedrückt werden könnte. Ein neues Bieterverfahren hatte auch Präsident Milos Zeman gefordert. "Vier sind mehr als zwei. Es gibt also die Hoffnung auf eine Senkung des Preises", sagte Zeman bereits im Februar.
Gratulationen aus Österreich
Aus Österreich, dass die Ausbaupläne von Beginn an kritisiert hatte, kamen am Donnerstag positive Reaktionen. LH Josef Pühringer (ÖVP) sprach von einem "deutlichen Eingeständnis, dass sich Atomkraft nicht rechnet". Die Zweite Landtagspräsidentin Gerda Weichsler-Hauer (SPÖ) verlangte mehr Kostenwahrheit. Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne) ortete einen "großen Etappensieg".
Er begrüße die Entscheidung der tschechischen Regierung, Subventionen bzw. garantierte Festpreise zu verweigern, erklärte Pühringer in einer Aussendung. "Damit wurde deutlich, wie unwirtschaftlich Atomstrom aus Temelin ist." Der LH sieht einen weiteren Beweis dafür, dass diese Form der Energie nicht nur überflüssig, sondern auch nur durch Subventionen marktfähig sei. Zudem würden viele Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt. "Oberösterreich wird seine konsequente Politik fortsetzen. Unser Endziel bleibt ein atomkraftfreies Europa", betonte Pühringer.
Weichsler-Hauer bemängelte in einer Aussendung die fehlende Einsicht von CEZ: Kernenergie werde noch immer stark subventioniert. "Bei einer echten Kostenwahrheit müssten von heute auf morgen alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, weil allein der Betrieb für die Investoren unhaltbar ist", erklärte sie. Das Aus für Temelin solle ein Startschuss für den Stopp weiterer AKW-Bauten sein. Zudem müsse die EU-Kommission wachgerüttelt werden, endlich entschieden gefährliche und falsche Subventionen zu bekämpfen, so Weichsler-Hauer.
Unermüdliche Arbeit zahle sich aus
Der Stopp des Ausschreibungsverfahren zeige, "dass sich unsere unermüdliche Arbeit auszahlt", erklärte Anschober in einer Aussendung und sprach von einem "großen Etappensieg". Anschober warnte jedoch eindringlich davor, jetzt beim Widerstand nachzulassen und sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Nun müsse das Engagement weiter verstärkt werden, um ein endgültiges Aus zu erreichen. Daher sei eine Verstärkung der Informationsarbeit in Tschechien und der Einsatz gegen mögliche EU-Subventionen für neue AKWs nötig.
"Es ist höchst an der Zeit, den atomaren Irrsinn zu beenden", betonten Roland Egger und Gabriele Schweiger von atomstopp_oberoesterreich in einer Aussendung. Sie zeigten sich überzeugt, dass die Prager Entscheidung Auswirkungen auf das Prüfverfahren der EU-Kommission zu den von Großbritannien überlegten Subventionen haben werde. "Atomkraft rechnet sich nicht, ohne staatliche Unterstützung können keine AKW mehr gebaut werden", so Egger und Schweiger. (APA, 10.4.2014)