Optisch stechen sie heraus, doch das macht nichts: Denn akustisch täuschen die parasitären Maculinea-Raupen erfolgreich vor, vollintegrierte Mitglieder eines Ameisenstaats zu sein.

Foto: Luca P. Casacci

Turin - Die Raupe eines Ameisenbläulings, einer europäischen Schmetterlingsgattung, hat eine klare evolutionäre Zielvorgabe: Sie muss ins Innere eines Ameisenstaats vordringen, um zu fressen. Keine leichte Aufgabe, immerhin ist dort ein ganzes Heer von Arbeiterinnen damit beschäftigt, unerwünschte Eindringlinge abzuwehren.

Doch die Ameisen verschonen die Raupen nicht nur, sie tragen sie sogar selbst ins Nest. Dass die Raupen ihren Opfern vorgaukeln können, das Nest sei ihr angestammtes Zuhause, wurde früher ausschließlich einer chemischen Tarnung zugeschrieben, mit der die Raupen die Dufterkennung der Ameisen täuschen.

Doch die komplexe Kommunikation innerhalb eines Ameisenstaats kann auch eine für uns nicht wahrnehmbare akustische Komponente haben. Um deren Bedeutung zu analysieren, haben italienische Forscher ein Experiment durchgeführt. In ihrer in "PLOS ONE" veröffentlichten Studie kommen sie zu dem Schluss, dass die Raupen den Code der Ameisen höchst erfolgreich gehackt haben.

Das Team um Marco Sala von der Universität Turin setzte die Raupen zweier parasitärer Ameisenbläulingsarten und Vertreter der von ihnen befallenen Knotenameisen auf Mikrofone und maß ihre ultrafeinen Lautäußerungen. In beiden Fällen ähnelten die Laute der Raupen denen von Ameisenköniginnen.

Die wirkliche Raffinesse dieser Täuschung aber liegt im Detail, denn die beiden Schmetterlingsarten haben unterschiedliche Strategien. Raupen von Maculinea alcon lassen sich wie Kuckuckskinder füttern. Sie intensivieren daher nach ihrer "Adoption" ihre akustische Tarnung als Königin, um sich dauerhaft eine privilegierte Position beim Gefüttertwerden zu sichern.

Bei Raupen von Maculinea teleius hingegen schwächt sich die Intensität der Lautäußerungen im Nest ab. Der Grund: Sie fressen die Ameisenbrut selbst. Aufmerksamkeit brauchen sie nur, um ins Nest hineinzugelangen - danach gehen sie besser unauffällig zu Werke. (jdo, DER STANDARD, 11.4.2014)