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Kathleen Sebelius (trat in der Nacht zum Freitag zurück,...


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...Sylvia Mathews Burwell folgt ihr nach.

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Vielleicht war es Fernsehsatiriker Jon Stewart, der Kathleen Sebelius am originellsten auf die Schaufel nahm, indem er seinen Laptop aufklappte und ihr eine Wette anbot: "Wetten, dass ich alle Filme, die je gedreht wurden, schneller heruntergeladen habe, als es Ihnen gelingt, sich bei Obamacare anzumelden?"

Das war im vergangenen Oktober; Stewart hatte den Fehlstart der US-Gesundheitsreform - als die dazugehörige Regierungswebsite schlicht nicht funktionierte - in einer einzigen angespitzten Frage gebündelt. Da konnte man fast Mitleid haben mit der Ministerin, die nicht wusste, was sie antworten sollte; sie wurde landauf, landab verhöhnt für etwas, was sie selbst unverblümt ein "Debakel" nannte.

Seitdem war ihr Rücktritt nur noch eine Frage der Zeit - und nun ist er vollzogen. Am Freitag wurde Sebelius ersetzt durch Sylvia Mathews Burwell, eine Absolventin der Eliteschmieden Harvard und Oxford, die bereits unter dem Präsidenten Bill Clinton (1993- 2001) als Haushaltsexpertin im Weißen Haus arbeitete und seit zwölf Monaten das Budgetbüro der Regierungszentrale leitet.

Mit der Rochade hofft Präsident Barack Obama, einen Schlussstrich unter ein langes Leidenskapitel zu ziehen; unter die vermasselte Umsetzung einer Reform, in die er sein gesamtes politisches Kapital investierte, die als Streitfall vor dem Obersten Gericht landete und dann - als die großen Schlachten endlich geschlagen waren - an einer fahrlässig gebastelten Online-Börse fast zu scheitern drohte.

Inzwischen sind es 7,5 Millionen Neukunden, die sich via www.healthcare.gov, manchmal auch einfach am Telefon, versichern konnten. Das Projekt liegt im Plan, und zur Abwechslung ist es der Präsident, der spöttelt; nämlich über die Weltuntergangsszenarien der Opposition: "Sehen Sie, der Tag des Jüngsten Gerichts ist ausgeblieben."

Nun ist es Obamas Stil, dass er Ministern, die er entlassen will, nicht schon dann den Stuhl vor die Tür setzt, wenn sich die Hiobsbotschaften häufen. In aller Regel wartet er ab, schon damit es nicht so aussieht, als gehe er unter Druck sofort in die Knie.

Aber klar war, dass ihn die elegante Chefin des Gesundheitsressorts in dem Moment blamiert hatte, als er in Vertretermanier damit warb, dass sich eine Krankenversicherung genauso kinderleicht abschließen lasse, wie man heutzutage via Internet ein Hotel buche; als sie ihn nicht ins Bild setzte (oder aber selbst nicht im Bilde war), obwohl Experten wiederholt vor Pannen gewarnt hatten und die Börse vor dem Start nie richtig getestet worden war.

In den USA, einem Land mit tiefverwurzelter Skepsis vor allem, was der Regierungsapparat tut, trägt ein solches Fiasko schnell dazu bei, die Karikatur von der nutzlosen, nur mit Amateuren besetzten Bürokratie scharf nachzuzeichnen. Das war der Bärendienst, den Sebelius dem Kabinett erwies.

Zu dem Kapitel gehört aber auch, wie vorbehaltlos sie sich zu ihren Fehlern bekannte und gar nicht erst versuchte, die Schuld auf andere abzuwälzen: "Ich entschuldige mich, ziehen Sie mich zur Rechenschaft für das Debakel!"

Falls sich die 65-Jährige jetzt ins Privatleben zurückzieht, verlieren die Demokraten eine Politikerin, die einmal zu den größten Hoffnungsträgern der Partei zählte. Im Jahr 2008 wurde Sebelius sogar eine Zeitlang als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft gehandelt, bevor sich Obama schließlich für den langjährigen Senator Joe Biden entschied.

Brückenbauerin aus Kansas

Ihr Profil passte perfekt zur Aufbruchsstimmung, hatte sie doch praktisch vorgelebt, was der Senator aus Chicago stets nur theoretisch verkündete: Brücken über Parteiengräben bauen, aus der Mitte heraus regieren, mit jenem zupackenden Pragmatismus, wie er Bewohnern des Mittleren Westens gemeinhin nachgesagt wird.

Sebelius war Gouverneurin in Kansas, einem Präriestaat, der in der amerikanischen Folklore als Muster an Bodenständigkeit gilt. Eine Demokratin, obendrein eine Befürworterin des Abtreibungsrechts, die im konservativen Kansas Wahlen gewann - manche trauten ihr damals sogar das Oval Office zu. Die pannenreiche Umsetzung der US-Gesundheitsreform machte das wohl zunichte. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 12.4.2014)