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Bis zu elf Milliarden Euro hätte der Bau eines dritten und vierten Atomreaktors gekostet. Gegner argumentierten stets, dass der Energiebedarf Tschechiens den Ausbau gar nicht notwendig mache.

Foto: EPA/Singer

Das vorläufige Aus für den geplanten Bau von zwei neuen Reaktorblöcken im südböhmischen Atomkraftwerk Temelín sorgt in Tschechien für heftige Diskussionen. Der Energiekonzern CEZ, dessen Hauptaktionär der tschechische Staat ist, hatte am Donnerstag bekanntgegeben, dass die laufende Ausschreibung zum Bau eines dritten und vierten Reaktorblocks in Temelín gestoppt wird.

Grund sei die Weigerung der neuen Regierung in Prag, dem Unternehmen einen garantierten Abnahmepreis für den Strom zuzusichern. Angesichts der Preisschwankungen auf dem europäischen Energiemarkt sei der Ausbau von Temelín ohne staatliche Garantien zu riskant. "Den Investoren gegenüber kann man das einfach nicht verantworten", meint CEZ-Generaldirektor Daniel Benes.

"Arbeitsplätze für zehntausende Menschen"

Die Regierung aber möchte das Risiko einer unrentablen Milliardeninvestition nicht auf die Steuerzahler abwälzen: "Wir haben klar gesagt, dass eine staatliche Garantie nicht infrage kommt", erklärte Premierminister Bohuslav Sobotka am Donnerstag.

Industrieminister Jan Mládek hingegen, wie Sobotka ein Sozialdemokrat, zeigte sich von der Entscheidung des Energieriesen wenig erfreut: "Ich habe den möglichen Bau von zwei neuen Reaktorblöcken in Temelín immer für einen starken Impuls für die tschechische Wirtschaft gehalten", beklagt Mládek. Das Vorhaben hätte "Arbeitsplätze für zehntausende Menschen" geschaffen.

Neue Ausschreibung möglich

Gleichzeitig betonte Mládek, er könne sich innerhalb der nächsten fünf Jahre neue Ausschreibungen für den Bau von Atomreaktoren in Tschechien vorstellen - allerdings in geringerem Umfang.

Unterschiedliche Signale kommen auch aus der Opposition. Der ehemalige Industrieminister Martin Kuba von den Bürgerdemokraten sieht die Verantwortung beim Premier- und beim Finanzminister. Diese würden sich "nicht für die Zukunft der Energieversorgung interessieren, sondern vielmehr für aktuelle Umfrageergebnisse", sagte Kuba wohl auch in Anspielung auf die bevorstehenden Europawahlen. Ex-Finanzminister Miroslav Kalousek von der rechtsliberalen Partei Top 09 hingegen hält den Rückzieher für einen "logischen Schritt".

Mehr als alle Haushalte zusammen

Erfreut zeigen sich naturgemäß die Umweltschutzgruppen. Jan Rovenský von Greenpeace Tschechien fordert nun ein umfassendes Gesamtenergiekonzept und die Drosselung des Stromexports: "Tschechien führt mehr Energie aus, als alle tschechischen Haushalte zusammen benötigen", so Rovenský.

An der Ausschreibung zum Temelín-Ausbau mit einem geschätzten Auftragsvolumen von bis zu elf Milliarden Euro hatten zuletzt noch die amerikanisch-japanische Gesellschaft Westinghouse und das tschechisch-russische Konsortium MIR.1200 teilgenommen. Die französische Firma Areva war zuvor wegen eines Fehlers im Angebot aus dem Verfahren ausgeschlossen worden. (Gerald Schubert aus Prag, DER STANDARD, 12.4.2014)