Der türkische EU-Beitritt ähnelt in diesen Tagen einem Heißluftballon, der nun schnell, immer kleiner werdend, am Horizont verpufft. Vertrauen hat niemand mehr in die demokratischen Bekenntnisse der Regierung Erdogan, ernst nehmen sie nur noch eingefleischte Berufsdiplomaten, die auch noch verhandeln, wenn der Tisch weggeräumt wird.
Wie groß die Entfremdung zwischen Brüssel und Ankara geworden ist, hat der türkische Europaminister Mevlüt Çavusoglu bei der Sitzung der gemeinsamen Parlamentarierkommission am Donnerstag und Freitag dieser Woche erfahren können. "Getäuscht" fühle er sich, sagte Hannes Swoboda, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament. "Zweifel an der Verpflichtung der Türkei gegenüber europäischen Werten und Standards" meldete EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle an. Mit der Wiederholung der Theorien vom ausländischen Komplott gegen die Türkei verspielte Çavusoglu nur weiter Glaubwürdigkeit.
Wie die jetzige türkische Führung aus der Krise mit der EU kommt, ist nicht zu sehen. Ob sie es überhaupt will, lässt sich bezweifeln. Die Türken aber will Brüssel nur wegen ihrer Regierung nicht um die Zukunft bringen: Auslandsstipendien für türkische Studenten werden trotz Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten in Ankara nicht gestoppt; die Annullierung von Twitter-Verbot und Justizentmachtung durch das Höchstgericht ist für die EU ermutigend. (Markus Bernath, DER STANDARD, 12.4.2014)