Mit der Entscheidung der russischen Wettbewerbsbehörde begann ein Aufatmen, der Aktienmarkt erholt sich: Die Wettbewerbsbehörde hatte mit großer Verspätung die Fusion der beiden Ölfirmen Yukos und Sibneft zum weltweit viertgrößten privaten Ölunternehmen Yukossibneft genehmigt. Der Zusammenschluss schien gefährdet, weil seit Juli mehrere strafrechtliche Untersuchungen gegen Yukos laufen und zwei prominente Aktionäre in Haft sitzen.

Aber niemand erachtet die jüngste Entwicklung als endgültigen Wendepunkt in der Affäre: Präsident Wladimir Putin lässt die Geheimdienstfraktion im Kreml immer stärker werden, und die geht hart gegen Oligarchen wie den Yukos-Vorstandschef Michail Chodorkowski vor.

"Die Entscheidung passt zur unentschlossenen Politik Putins", erklärt Lilija Schewzowa vom Moskauer Carnegie-Institut dem STANDARD. Putin, der die Attacken der Geheimdienstfraktion nicht behindere, wisse gleichzeitig um die Notwendigkeit eines zivilisierten Images für Russlands Wirtschaft - das solle nun wiederhergestellt werden. Der Fall Yukos sei aber nicht abgeschlossen, die Leute blieben in Haft. Die Megafusion zu verhindern sei nur einer der Gründe für die fatalen Attacken gewesen. Als Mutter aller Motive, die Aktionen fortzusetzen, bliebe einfach die finanzielle Überlegenheit der Oligarchen.

Monopol über Ressourcen als Ziel

"Der Kampf der Clans ist der Motor der politischen Entwicklung in Russland", resümiert die Politologin, "und der zielt auf das Monopol über die Ressourcen." Auf diesen sitzt die Hälfte der Oligarchen, die im Dunstkreis der "Jelzin-Familie" durch Privatisierung von Staatseigentum steinreich geworden ist. Einige hat Putin entmachtet, vor allem aber hat er zur Machtbalance viele Schlüsselpositionen mit Ex-Armee- oder -Geheimdienstpersonal besetzt.

Als diese über die Macht verfügten, haben sie aber die Aufteilung des schweren Staatsvermögens versäumt. Auf Kosten der Oligarchen wollen sie nun endlich das finanzielle Ungleichgewicht beheben. Sollten sie ihre Position nicht in den nächsten Jahren sichern, ist die Chance vertan. Nur bis 2008 werde ihr Schutzherr Präsident sein, meint Schewzowa: "Der jetzige Kampf zielt auf die Aufteilung des Putin-Erbes 2008 und hat mit den Präsidentschaftswahlen 2004 nichts zu tun."

Spaltung auch in der Parteienlandschaft

Die Spaltung des Kreml zeige sich auch in der Parteienlandschaft: Der bisherigen Kremlpartei "Vereinigtes Russland" hätten die Geheimdienstaufsteiger eine eigene "Volkspartei" entgegengestellt, weniger links als die KP, aber doch noch nicht im neuen Modell einer transparenten, marktwirtschaftlichen Demokratie angekommen. Bemerkenswert laut Schewzowa, dass der Schlag gegen Yukos gerade zu einer Zeit kam, als Yukos Transparenz im Großbusiness zu propagieren begann.

"Putin selbst scheint eine klare Position vermeiden zu wollen", so Schewzowa. Er würde nur zur Einhaltung der Gesetze mahnen, was jede Gruppe auf ihre Art auslege. Es entspreche nicht Putins Stil, sich im Kampf gegen eine Vorherrschaft der Oligarchen ans Volk zu wenden, um die Unabhängigkeit von Kontrollinstanzen wie Parlament oder Medien zu stärken. Zudem dürfte er fürchten, dadurch einen Putsch wie Gorbatschow zu riskieren.

So werde er bisher auf der Seite der Geheimdienstaufsteiger wahrgenommen und laufe Gefahr, in ihre Geiselhaft zu geraten. "Aber bisher handelt er ausreichend pragmatisch. Noch sehe ich die Gefahr nicht, dass er gänzlich zu einem Spielball wird", meint die Politologin. Sie verweist stattdessen auf Putins Risiko, als vorsichtiger Präsident im Richtungsstreit zwischen Stabilisatoren und Modernisierern zerrissen zu werden. Das Land werde durch das Wechselspiel des Präsidenten grundlegend erschüttert. (Der STANDARD, Printausgabe, 21. 8. 2003)