Bild nicht mehr verfügbar.

Jesus Gil: Der Expräsident des Fußballklubs Atlético Madrid musste den Bürgermeisterposten vor einem Jahr niederlegen, weil die Gerichte ihm wegen krummer Geschäfte die Ausübung öffentlicher Ämter untersagt hatten.

Foto: REUTERS/str
Madrid – Ganz Spanien, so schien es, fieberte der Abstimmung entgegen. Die Zeitungen hatten seit Wochen auf ihren Titelseiten über das anstehende Misstrauensvotum berichtet. Als der große Moment gekommen war, übertrug das Fernsehen die Abstimmung live.

Dabei ging es gar nicht um das Schicksal der spanischen Regierung. Der Schauplatz des Geschehens war auch nicht das Parlament in Madrid, sondern das Rathaus in Marbella. In dem Nobelbadeort an der Costa del Sol sprach das Stadtparlament Bürgermeister Julián Munoz das Misstrauen aus.

Dieser Vorgang in der südspanischen Touristenhochburg mit ihren 120.000 Einwohnern zog das ganze Land in seinen Bann. Das hatte einen einfachen Grund: Die Abstimmung war ein Duell zwischen zwei Männern, die zu den schillerndsten Figuren in Spanien gehören. Auf der einen Seite stand der Baulöwe Jesús Gil y Gil, der die Stadt von 1991 bis 2002 regierte.

Der Expräsident des Fußballklubs Atlético Madrid musste den Bürgermeisterposten vor einem Jahr niederlegen, weil die Gerichte ihm wegen krummer Geschäfte die Ausübung öffentlicher Ämter untersagt hatten.

Auf der anderen Seite stand sein Nachfolger Munoz. Der 55-Jährige mit den gestriegelten, pomadisierten Haaren war Gil lange Zeit ein treu ergebener Anhänger gewesen. Auf diese Weise war er vom Kellner zum Bürgermeister aufgestiegen. Eine Romanze mit Isabel Pantoja, einer der beliebtesten spanischen Sängerinnen, machte ihn obendrein zum Star der Regenbogenpresse. Im Mai wurde er mit absoluter Mehrheit als Bürgermeister bestätigt.

Zu Kopf gestiegen

Der Ruhm stieg dem Ex- kellner dann aber wohl zu Kopfe. Er wagte es, sich mit seinem mächtigen Vorgänger anzulegen. Er entließ einen Gil-Intimus und nahm dem Baulöwen die Leibwächter von der städtischen Polizei weg. Für Gil war nun der Moment gekommen, seinem Zögling zu zeigen, wer in Marbella der Chef ist. Der 70-Jährige brachte im Stadtparlament – keiner weiß, wie – Überläufer aus drei Parteien auf seine Seite und ließ Munoz das Misstrauen aussprechen. Da Gil selbst nicht kandidieren durfte, ließ er eine politisch unbedarfte Hausfrau namens Marisol Yagüe zur Bürgermeisterin wählen.

Im Duell zwischen Gil und Munoz ging es auch um Geld. Gil hatte Marbella nämlich zu einem beispiellosen Bauboom verholfen und die Stadt zur "größten Baustelle Spaniens" gemacht. Von 1991 bis 2002 stieg die Zahl der Wohnungen von 49.000 auf 127.000. Kaum einer in Marbella zweifelt daran, dass Gil und auch Munoz dabei kräftig absahnten. (dpa/DER STANDARD, Printausgabe, 22.8.2003)