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Jack Unterweger 1994 zu Prozeßbeginn in Graz

Foto: APA/Georges Schneider
Gmunden – Der Schauplatz der monologischen Dramen-Geburt war an sich gut gewählt. Denn welches Ambiente könnte eine prickelndere Verpackung für ein theatralisiertes, wüstes Männerleben im Sog des Weiblichen abgeben als Arnulf Rainers von blutroten Farbschlieren umspielte Prachtkurven der Kunstgeschichte?

Allein: Anlässlich der Uraufführung von Franzobels Frauenmörder-Gesang Black Jack in der Edelgalerie 422 im Rahmen der Gmundner Festspiele wurde schnell klar, dass das verfeinerte Spät-Raffinement des Malers rein gar nichts mit den Zoten-Kaskaden aus dem Mund jenes Todesengels zu tun hat, der sich vor Jahren durch Zellen-Suizid endgültig in den Spitzenrang einer dämonischen Kultfigur katapultiert hat.

Mister Wortschwall

Der Vöcklabrucker Meister des enthemmten Wortschwalls ist der Versuchung erlegen, die düster schillernde Aura eines Schwerstverbrechers aus einem vulgärpsychologischem Ansatz aufschließen zu wollen.

Aus dem sozial verletzten Kind mit kreativen Anlagen musste jener bizarre Grenzgänger zwischen Mädchenmetzgerei und Kulturschickeria werden, jener einzigartige Charmebolzen, dem Serien von täuschungsbereiten Frauen im wahrsten Sinn des Wortes erlegen sind.

Wer den wie eine exotische Kostbarkeit herumgereichten Unterweger gekannt hat, die aus dem Kindergesicht sickernde, sanfte Weinerlichkeit des selbstinszenierten Gesellschaftsopfers, wird kaum Parallelitäten zu Franzobels primitivem Klischeegeschöpf feststellen.

Unterweger hatte sich als zerbrechlicher, effeminierter Gigolo stilisiert, den der Außenstehende eher im schwulen Lager zu vermuten geneigt war. Die Wirklichkeit war blutig anders. Nichts von dieser brisanten Widersprüchlichkeit klingt in Franzobels schlichten, schäumenden Ergüssen an, die weder von Regisseur Ernst M. Binder noch vom Darstellersolisten Rudi Widerhofer interessant gebrochen werden.

Es bleibt bei einem nervenden, genitalischen Blues – garniert mit älplerischer Folklore und Schlagertran aus der Ziehharmonika.

Franzobels Versuch, der wirklichen Finsternis auf die Spur zu kommen, ist gescheitert. Killer-Seelenbilder der besonderen Art entstehen eher im Kino, nicht auf der Bühne. Der Totmacher mit Götz George hat es vorbildlich vorgemacht. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.8.2003)