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Alles halb so schlimm: Grasser will die Sache erledigen.

foto: reuters/bader
Wien Die Zeit, genauer ihr akuter Mangel, sei schuld gewesen, meint Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Schuld daran, dass es bei der Suche nach einem neuen ÖIAG-Aufsichtsrat im Jahr 2000 zu "Ungereimtheiten" gekommen sei – Ungereimtheiten, die der Rechnungshof als massive Verstöße gegen das Stellenbesetzungsgesetz und die Vertragsschablonenverordnung bezeichnet.

Grasser habe, so der Vorwurf, zur Suche eines neuen ÖIAG-Aufsichtsrates private Personalberater eingeschaltet und dabei kein offenes Vergabeverfahren gewählt sowie die Angebotsdauer auf weniger als eine Woche verkürzt. Aus Zeitnot, rechtfertigte sich Grasser am Freitag, schließlich habe er ja den Regierungsauftrag gehabt, die ÖIAG- Unternehmen zu privatisieren. Dazu seien die damaligen roten ÖIAG-Aufsichtsratsmitglieder nicht bereit gewesen: "Ich war mit einem Aufsichtsratspräsidenten Josef Staribacher konfrontiert, der auf Gewerkschaftsversammlungen gegen den Privatisierungsauftrag aufgetreten ist."

Auch die Verkürzung der Angebotsfrist sei auf diesen Termindruck zurückzuführen, und außerdem habe keines der fünf eingeladenen Unternehmen um Fristverlängerung ersucht. Dass dabei nicht der Billigstbieter den Zuschlag bekommen habe, entspreche der Judikatur des Bundesvergabeamtes, wonach der "Bestbieter" zum Zug kommen solle. Der fand sich im Personalberater Egon Zehnder, dem Grüne und SPÖ enge Kontakte zu FP-Wirtschaftssprecher Thomas Prinzhorn nachsagen.

Natürlich seien Gesetze da, um eingehalten zu werden, meinte Grasser zum Vorwurf des RH, der ÖIAG-Aufsichtsrat habe bei der Suche nach Vorständen für seine Unternehmen gegen die Vertragsschablonenverordnung verstoßen. Aber die Verordnung gelte, so Grasser, nur für mehrheitlich in ÖIAG-Eigentum stehende Unternehmen, nicht also für Böhler-Uddeholm oder die VA Tech.

Brief an die ÖIAG

Außerdem sei der ÖIAG- Aufsichtsrat für alle diese Fragen zuständig. Er habe als Finanzminister wohl die politische Gesamtverantwortung für die ÖIAG, räumte Grasser ein. Daher habe er sofort nach Erhalt des RH-Rohberichts den ÖIAG-Vorstand brieflich auf die zwingende Anwendung des Stellenbesetzungsgesetzes und der Vertragsschablonenverordnung im staatsnahen Unternehmensbereich hingewiesen. Seither habe es vom Rechnungshof keine Kritik mehr gegeben.

Ob jetzt die geltenden Verträge im ÖIAG-Bereich nachzubessern sein werden, werfe "komplexe juristische Fragen" auf, zu denen es unterschiedliche Expertenmeinungen gebe. ÖIAG-Aufsichtsratspräsident Alfred Heinzel werde diesbezüglich möglicherweise schon kommende Woche mit RH-Präsident Franz Fiedler sprechen. Heinzel habe ihm gegenüber auch schon schriftlich zu den Vorwürfen des RH Stellung bezogen, sagte Grasser. Auf den Inhalt des Schreibens wollte er nicht eingehen.

Generell sieht Grasser die Privatisierung der ÖIAG- Unternehmen auf gutem Weg. Schließlich sei der Schuldenstand der ÖIAG seit Februar 2000 von 6,3 Milliarden auf "unter zwei Milliarden Euro" gesenkt worden. Die SPÖ habe diesen Schuldenstand angehäuft und daher "jedes Recht verwirkt, Aufsichtsrat oder Vorstand der ÖIAG anzugreifen". Die Sondersitzung im Parlament bezeichnete Grasser als Teil des Landtagswahlkampfes in Oberösterreich, bei dem die SPÖ mit der Warnung vor dem Verkauf der Voest punkten wolle.

SP-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos wärmt schon für diese Sondersitzung auf. Er wirft den ÖIAG-Aufsichtsräten und den zuständigen Regierungsmitgliedern "bewussten Rechtsbruch" vor. Dass er für die Sondersitzung keine Unterstützung von den Grü 5. Spalte nen bekommt, ärgert Darabos gewaltig. Als Gründe für die "Regierungsfreundlichkeit" vermutet er, dass bei einigen grünen Spitzenfunktionären ein fliegender Wechsel zu einer schwarz-grünen Koalition nicht ausgeschlossen werde.

Grüne für U-Ausschuss

Die Grünen argumentieren, dass eine umfassende Untersuchung der politischen Verantwortung des Finanzministers statt nur einer Sondersitzung notwendig sei. Die stellvertretende Bundessprecherin, Eva Glawischnig, prangert die "massiven Rechtsbrüche" und die "unglaubliche Steuerverschwendung" an. Der Rechnungshofausschuss solle nun seine Arbeit beginnen.

Die ÖVP zeigt sich über die "Überdosis" an Sondersitzungen – wie sich VP-Generalsekretär Reinhard Lopatka ausdrückte – nicht begeistert. Man nehme die Rechnungshofkritik ernst. Aber sie solle im zuständigen Ausschuss diskutiert werden. Prinzipiell sei die Privatisierung der Verstaatlichten richtig gewesen. Die SPÖ wolle nur zu den "Rezepten aus den 70er-Jahren zurückkehren".

Fiedler sieht "guten Ansatz"

Rechnungshofpräsident Franz Fiedler sieht in der Ankündigung Finanzminister Grassers, die ÖIAG-Verträge der Schablonenverordnung anzupassen, einen "guten Ansatz". Es sei immer Meinung des Rechnungshofes gewesen, dass die Verträge neu verhandelt und angepasst werden müssen, meinte Fiedler dazu im Ö1-Mittagsjournal. Ob Grasser, wie von der Opposition behauptet, rücktrittsreif sei, wollte Fiedler nicht beurteilen: "Das ist eine politische Frage."

Die Schablonenverordnung einfach als unpraktikabel vom Tisch zu wischen, wie dies ÖIAG-Aufsichtsratschef Alfred Heinzel getan hatte, ist für Fiedler unzulässig: Die ÖIAG hätte ihre Kritik an der Verordnung rechtzeitig einbringen können. Dies sei aber nicht geschehen. Auch eine Änderung der Schablonenverordnung sei jederzeit möglich. "Aber so lange diese Verordnung mit diesem Inhalt zur Norm für Verträge in der staatlichen Wirtschaft vorgeschrieben ist, ist sie auch anzuwenden. Da gibt es für uns überhaupt keinen Spielraum", betont Fiedler. (red, APA,eba, kob, mon, Der Standard, Printausgabe, 23.08.2003)