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Trotz körperlicher Abwesenheit ist Algeriens Präsident Bouteflika im Wahlkampf omnipräsent. 

Foto: APA/EPA/Messara

Madrid/Algier - Es ist ein skurriler Wahlkampf, den der alte - und wohl auch neue - Präsident Algeriens führt. Der 77-jährige Abdelaziz Bouteflika, der seit 1999 an der Spitze des nordafrikanischen Landes steht, hatte vor knapp einem Jahr einen Schlaganfall. 80 Tage war er in Paris im Krankenhaus. Seither sitzt er im Rollstuhl, stark eingeschränkt in seinen Bewegungen und unfähig, Reden zu halten.

Deshalb zieht nicht er selbst durchs Land, um für seine vierte Amtszeit zu werben. Er beschäftigt stattdessen ein ganzes Team aus Expremiers und Generalsekretären der einstigen Einheitspartei, der Nationalen Befreiungsfront (FLN), und von deren Abspaltung Nationale Demokratische Versammlung (RND), die das für ihn tun. Sie halten patriotische Reden und zeigen immer wieder auf das überdimensionale Foto ihres Chefs an der Wand hinter sich.

"Der abwesende Kandidat" wird Bouteflika von einem Großteil der Presse nur genannt. Doch kaum jemand zweifelt daran, dass der gesundheitlich Angeschlagene am Donnerstag einmal mehr die Wahlen gewinnt. Er hat fast den gesamten Staatsapparat und die Armee hinter sich. "Die Schwierigkeiten, die mit meiner derzeitigen physischen Gesundheit zu tun haben, scheinen mich in euren Augen nicht zu disqualifizieren", bedankt sich Bouteflika zu Beginn des Wahlkampfes in einem Schreiben an das algerische Volk.

"Auf Betrug vorbereitet"

Der einzige ernstzunehmende Herausforderer ist Ali Benflis. Der ehemalige Wahlkampfleiter Bouteflikas (1999), Premier (2000-2003) und Generalsekretär der FLN (2001-2004) versuchte bereits 2004 seinen einstigen Chef zu schlagen. Er erzielte damals gerade einmal 6,4 Prozent der Stimmen und beschuldigte den Staatsapparat des Wahlbetrugs. "Man hat erneut alles für den massiven Betrug vorbereitet, doch die algerische Gesellschaft hat sich weiterentwickelt, und ich bin darauf vorbereitet, Widerstand zu leisten", erklärt der 69-Jährige.

Während Bouteflikas Team auf dessen großes Verdienst, die Aussöhnung nach einem Bürgerkrieg zwischen Islamisten und Armee mit bis zu 200.000 Toten, verweist, gibt sich Benflis als Kandidat des Wandels. Er werde die Verfassung ändern und das Land in eine echte Demokratie führen.

Nur so recht abkaufen will auch ihm das keiner. Zu lange gehörte Benflis selbst dem Apparat aus den Reihen der FLN an, um jetzt als unabhängig durchzugehen. Ein bedeutender Teil des politischen Spektrums boykottiert den Urnengang. Sowohl die Islamisten als auch die wichtigsten Parteien der säkularen Opposition stellen weder Kandidaten noch rufen sie Anhänger zur Wahl.

Trotz des überall spürbaren Unbehagens an der Idee, den kranken Bouteflika für eine vierte Amtszeit im Präsidentenpalast zu sehen, regen sich nur zaghaft Proteste. In Algier treffen sich immer wieder kleine Gruppen vor der Universität und schreien "Es reicht jetzt!", bevor sie von der Polizei vertrieben werden. Trotz angespannter sozialer Lage, an der auch der Erdölreichtum nur wenig geändert hat, herrscht in Algerien Angst. Jeder Wandel war bisher mit Gewalt verbunden. Das prägte auch die Bürger.

Nur in Bejaia, einer der beiden großen Städte in der Kabylei, der Region der Berberminderheit, musste Bouteflikas Wahlkampfleiter Abdelmalek Sellal in der vergangenen Woche eines seiner Meetings "aus Sicherheitsgründen" absagen. Demonstranten hatten nämlich kurzerhand den Saal in Brand gesteckt.

Warum erneut Bouteflika, fragen sich viele. Auf der Suche nach einer Antwort fallen Kürzel wie ANP, DRS oder FLN. Nur das Letztere bezeichnet eine Partei. Die anderen beiden stehen für die Nationale Volksarmee und den Inlandsgeheimdienst. Deren Generäle stehen seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1962 für die Macht im Hintergrund. Nichts geschieht, ohne dass sie ihre Finger im Spiel haben - wohl auch nun.

Bouteflika hat es in seinen 15 Jahren geschafft, die Armeespitze mit Männern seines Vertrauens zu besetzen. Nicht so den Geheimdienst. Der dortige General Mohamed Médiene sprach sich immer wieder gegen eine vierte Amtszeit Bouteflikas aus. Seit Jahren kämpft er gegen den Clan rund um den Präsidenten, der unter der Führung des jüngeren Bruders Said Bouteflika fast die gesamte Macht in Händen hält. Korruptionsaffären verschiedener Minister und von Said Bouteflika selbst sollen - da ist sich Algeriens Presse einig - auf gezielt gestreute Information des DRS zurückgehen.

Bei aller Machtfülle hat Bouteflikas Clan wohl eines vergessen: die Suche nach einem Nachfolger, auf den sich alle in der FLN, der RND und der Armee einigen können. Und genau deshalb muss der kranke Präsident wohl auch weitermachen. Alles deutet darauf hin, dass schon bald nach der Wahl die Verfassung reformiert werden soll. Dabei soll das Amt des Premierministers gestärkt werden und Bouteflika einen Vizepräsidenten an seine Seite bekommen. Die Machtübergabe kann dann innerhalb des Apparats ausgehandelt werden - egal, wie krank der Präsident ist. (Reiner Wandler, DER STANDARD, 16.4.2014)