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Ein Kürbis vor der Ernte - für den Vertrieb und Verkauf werden immer öfter alternative Wege abseits des Supermarktes gewählt.

Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Goldegg/Salzburg - Lebensmittelskandale, Monopolisierung im Einzelhandel sowie eine weitgehende Entfremdung von Konsumenten und Nahrungsmittelproduzenten - die Suche nach einer selbstbestimmten, ökologisch und sozial verträglichen Ernährung führt zur Gründung von immer mehr Einkaufsgemeinschaften und -kooperativen.

Das Wachstum dieser Foodcoops verlaufe exponential, sagt Dominik Dax im Standard-Gespräch am Rande des viertägigen Forums für Ernährungssouveränität, das heute, Donnerstag, im Pongauer Goldegg zu Ende geht. Dax selbst ist Bio-Gemüsebauer im oberösterreichischen Kirchdorf und einer der 15 Produzenten in der regionalen Lebensmittelkooperative, die etwa 70 Haushalte mit Grundnahrungsmitteln versorgt.

Alle haben etwas davon

Seiner Schätzung nach gibt es in Österreich derzeit 35 solche basisdemokratisch organisierten Vereine, in denen jeweils regionale Produzenten und Konsumenten zusammengeschlossen sind. "Das Konzept ist, das niemand etwas verdient, aber alle etwas davon haben", sagt Dax. Der Bauer bekomme einen fairen Preis, der Konsument regionale Bioprodukte aus einem selbstorganisierten Lebensmittelnetzwerk.

Das wirtschaftliche Risiko solcher Kooperativen sei jedenfalls gering, meint Dax. Abgesehen von einem Lagerraum und vielleicht noch einem Kühlschrank würden kaum Infrastrukturkosten anfallen. Das Modell wäre auch nicht auf "die studentisch-alternative Blase" in Wien beschränkt, "das funktioniert auch am Land".

Beratungsnetzwerk

Ein Ziel der von der Österreichischen Berg- und Kleinbauernvereinigung, Attac und der auf Ernährungsfragen spezialisierten Menschenrechtsorganisation Fian organisierten Tagung in Goldegg ist es, ein Beratungsnetzwerk aufzubauen, wo sich Interessierte auch über die Möglichkeiten zur Gründung und Gestaltung solcher Foodcoops informieren können.

Neben diesen klassischen Kooperativen entstehen in Österreich auch immer mehr sogenannte "solidarische Landwirtschaftsprojekte". Bei diesen finanzieren die Mitglieder die Produkte Jahr für Jahr vor und erhalten dann als Anteilsinhaber ihren Teil der Ernte. Damit teilten sich Konsumenten und Produzenten das Risiko von Ernteausfällen, berichtet Brigitte Reisenberger von Fian: "Wenn die Zwiebelernte schlecht ist, dann gibt's mehr Erdäpfel."

Bauernhofbörse

Neben der Dominanz der Lebensmittelketten in der Nahrungsmittelverteilung und Strategien für eine transparente Wertschöpfungskette oder der sozialen Situation von Erntehelfern war auch das Hofsterben ein zentrales Thema beim Ernährungsforum, an dem rund 250 Bauern, Konsumenten, Köche, Gewerkschafter, Umweltschützer sowie Vertreter diverser Nichtregierungsorganisationen teilgenommen haben. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts hätten in Österreich etwa 40.000 Bauernhöfe zugesperrt, sagt Karin Okonkwo-Klampfer. Sie arbeitet derzeit am Aufbau einer eigenen Koordinationsstelle für die außerfamiliäre Hofübergabe. Vorbild ist die deutsche Hofbörse.

So soll die zunehmende Zahl junger Menschen, die einen Bauernhof übernehmen wollten und jene, die für ihre Landwirtschaft keine Nachfolger fänden, zusammengebracht werden, erklärt Okonkwo-Klampfer. Für die meisten Jungen wäre nämlich der Kauf eines derartigen Hofes zum Verkehrswert undenkbar.

Verfallene Höfe

Auf der anderen Seite würden immer mehr Hofstellen verfallen. Mit allen daranhängenden kulturellen Folgen für den ländlichen Raum, mit allen für die Ernährungssicherheit und das Landschaftsbild sowie mit dem Verlust von tausenden Arbeitsplätzen. Es genüge nämlich nicht, die Landwirtschaft zu verpachten und "nur die Wiese zu mähen". An einem Bauernhof würden auch noch viele andere Zulieferer hängen. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 17.4.2014)