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Wien - Eingezwängt zwischen der Innovationskraft der USA und den günstigen Produktionsbedingungen Asiens kann Europa seine Position in der Weltwirtschaft nur verteidigen, indem es in bestimmten Sektoren selbst Technologieführerschaft erzielt - etwa in der Umwelttechnik und im Gesundheitssystem. Diese These vertrat Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), vor wenigen Tagen in einem Vortrag bei der Konferenz des Institute for New Economic Thinking (Inet) in Toronto.

Österreich ist für diese Herausforderung nicht gut genug gerüstet, weil es zu wenig in Bildung und Grundlagenforschung investiert, erläuterte Aiginger am Mittwoch im Standard-Gespräch. Bisher habe das Wirtschaftsmodell darauf beruht, Erkenntnisse aus anderen Ländern in der eigenen Wirtschaft geschickt anzuwenden. Aber dieses "Second-mover-Modell" sei in der Zukunft nicht mehr tragfähig, warnte Aiginger. "Heute sind wir noch wettbewerbsfähig, aber wenn wir es 2025 noch sein wollen, müssen wir strategisch denken und in manchen Technologien führend werden." Dafür sei vor allem Grundlagenforschung notwendig.

Rückfall aus Budgetgründen

Derzeit aber werde gerade in diesen Bereichen gespart, klagt der Wifo-Chef. "Wir sind in einer entscheidenden Phase, und gerade wenn wir vorrücken sollten, fallen wir aus budgetären Gründen zurück." So sei Österreich im vergangenen Jahrzehnt vom fünften Platz im europäischen Innovationsranking auf den zehnten Platz zurückgerutscht.

Besonders ärgerlich findet Aiginger daher die Entscheidung von Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek, die Pisa-Teilnahme wegen eines Datenlecks auszusetzen. "Wir brauchen mehr denn je Vergleichswerte im Bildungssystem, zwischen Schultypen und zwischen Ländern."

Auch der Widerstand der Ärzteschaft gegen die elektronische Gesundheitsakte Elga sei volkswirtschaftlich ein Risiko. Denn gerade durch solche technologischen Innovationen könnte der Gesundheitssektor produktiver werden. Und hier könnte Europa Vorbildwirkung zeigen.

Vergebene Chancen

Sinnlos sei es hingegen, durch billigere Energie oder niedrigere Lohnkosten zu versuchen, mit den USA und den Schwellenländern in den Wettbewerb zu treten, meint Aiginger. Stattdessen müsste Europa durch eine bessere Klimapolitik die eigene Umweltindustrie stärken und das Sozialsystem so umbauen, dass die Menschen nicht sozial ausgegrenzt, sondern "qualifiziert, neu trainiert und für zukünftige Jobs fit gemacht werden". Denn gerade hier würden die USA nachhinken.

Aber auch in der Umweltpolitik würde Österreich immer bloß das nachvollziehen, was die EU verlangt, und so die Chance vergeben, "durch eine Vorreiterrolle Wettbewerbsvorteile zu lukrieren". (Eric Frey, DER STANDARD, 17.4.2014)