Gegen wütende Proteste der Lega Nord hat Italiens Innenminister Angelino Alfano am Mittwoch im Parlament die Operation "Mare nostrum" verteidigt. "Wir sind ein ziviles Land und lassen nicht Tausende im Meer ertrinken", sagte Alfano, während die Lega-Abgeordneten Schilder mit der Aufschrift "Minister für illegale Einwanderung" in die Höhe hielten.
"Wir haben 19.000 Menschen gerettet"
"Menschenleben sind uns mehr wert als ein paar Wählerstimmen für die Lega", versicherte Alfano, bevor die Sitzung nach turbulenten Protesten unterbrochen werden musste. "Mare nostrum" sei keine ständige Einrichtung, sondern eine befristete Aktion: "Es ist klar, dass unsere Schiffe nicht zu Fähren für Migranten werden dürfen. Aber wir haben 19.000 Menschen aus dem Meer gerettet."
Die Kosten bezifferte der Innenminister auf neun Millionen Euro im Monat. Alfano forderte die EU erneut energisch auf, für den Schutz der europäischen Außengrenzen zu sorgen. "Die Untätigkeit der EU fördert Frau Le Pen", erklärte Alfano und forderte gleichzeitig eine Korrektur des Dubliner Abkommens: "Wer als Flüchtling anerkannt wird, muss sich in Europa frei bewegen dürfen, um sich dort niederzulassen, wo er Verwandte oder Freunde hat." Seien die Migranten früher vor allem gekommen, um Arbeit zu suchen, so seien "80 Prozent heute Menschen auf der Flucht vor Kriegen sowie ethnischen und religiösen Konflikten".
500 Minderjährige verschwunden
Bis 15. April wurden in diesem Jahr in Süditalien 20.889 Migranten registriert. Im selben Zeitraum des Vorjahrs waren es lediglich 2529. In Sizilien setzen sich indessen Hunderte aus den improvisierten Lagern ab. Nach Angaben der Hilfsorganisation Save the Children sind von 800 unbegleiteten Minderjährigen, die vergangene Woche in Sizilien registriert wurden, 500 verschwunden. Das gebe Anlass zu großer Besorgnis. Die sizilianischen Gemeinden können nur notdürftig für die Migranten sorgen. "Unsere Kassen sind leer", gesteht die Bürgermeisterin von Augusta, Maria Carmela Librizzi.
In der 38.000-Einwohner-Stadt sind viele Flüchtlinge notdürftig in leeren Lagerhallen und im Sportpalast untergebracht. Wegen des Mangels an Übersetzern ist die Verständigung schwierig. Im Flüchtlingslager Cara Mineo, das maximal 2.000 Personen aufnehmen kann, drängen sich mehr als 4.000 Migranten. Die Situation sei "katastrophal", sagte der linke Abgeordnete Erasmo Palazzotto nach einem Besuch in dem Lager. "Vielleicht sollten die Herren der Lega Nord, die von der Unterbringung in Viersternhotels schwafeln, hier einmal einen Lokalaugenschein vornehmen." (Gerhard Mumelter aus Rom, derStandard.at, 17.4.2014)